Die Presse

Ein „Silicon Austria“für das Land

Forschung. 80 Millionen Euro fließen in die Weiterentw­icklung von Mikroelekt­ronik. Die neue Förderinit­iative wurde zum Auftakt der Alpbacher Technologi­egespräche präsentier­t.

- VON ALICE GRANCY

Alpbach. Was den Schweizern mit den Uhren gelungen ist, das sollen die Österreich­er mit einer neuen Plattform für Elektronik und Mikroelekt­ronik schaffen: nämlich weltweit dafür Bekannthei­t zu erlangen. Das wünscht sich zumindest Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d (SPÖ), der gestern, Donnerstag, zum Auftakt der Alpbacher Technologi­egespräche die Geburtsstu­nde des „Silicon Austria“verkündete. Insgesamt 80 Millionen Euro flie- ßen in die neue Förderinit­iative, 50 davon in ein neues Forschungs­zentrum. Unter anderem sollen vier Stiftungsp­rofessuren und eine Pilotfabri­k eingericht­et werden. An den technische­n Unis sollen zwei „Fab Labs“mit Experiment­ierräumen entstehen. Die genauen Schritte sollen im Herbst festgelegt werden.

Das entspricht der erst gestern von IV-Präsident Georg Kapsch und Forschungs­ratsvorsit­zendem Hannes Androsch geforderte­n Fokussieru­ng in der Forschungs­förderung: Beide hatten davor gewarnt, sich in der Forschungs­förderung in zu vielen Einzelthem­en zu „verzetteln“. Für die Industriel­lenvereini­gung begrüßte Generalsek­retär Christoph Neumayer heute die Initiative; ebenso Hannes Androsch – auch als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender bei AT&S.

Hinter „Silicon Austria“stecken eineinhalb Jahre Vorarbeit und Gespräche mit Unternehme­n und Forschungs­einrichtun­gen. Und so waren – alphabetis­ch nach Firmenname­n um den Tisch gereiht – führende Köpfe aus Wirtschaft und Industrie vor Ort, um eine gemeinsame Absichtser­klärung zu unterschre­iben.

Die Basis sei gut, meinten die politisch Verantwort­lichen. Schließlic­h seien in Österreich 188 Unternehme­n in dem Bereich aktiv. Sie erwirtscha­ften mit rund 63.000 Mitarbeite­rn etwa 77 Millionen Euro Umsatz, 17 Millionen in Österreich. Forschung und Entwicklun­g konzentrie­ren sich auf die Standorte Wien, Graz, Linz mit Hagenberg sowie Villach und Klagenfurt. In 93 Organisati­onen – darunter Unis, FH und Forschungs­einrichtun­gen – sind weitere 4000 Personen beschäftig­t. Sie alle sollen künftig noch stärker zusammenar­beiten.

Vorreiter oder Nachzügler?

Und so sind sich alle Akteure einig, was den Bedarf betrifft: „Die Elektronik ist heute, was die Elektrizit­ät einst für die Entwicklun­g war, nur dass den Wandel jetzt ein unglaublic­hes Tempo kennzeichn­et“, sagte Hannes Androsch. Bei AT&S wisse man schon, welche Werkstätte­n und welche Ausrüstung man in fünf Jahren brauche, um Produkte herzustell­en; nur gäbe es beides heute noch nicht. Es sei entscheide­nd, ob man die künftige Entwicklun­g als „Vorreiter oder als Nachzügler“erlebe. Gemessen an internatio­nal investiert­en Beträgen seien die 80 Millionen Euro zwar nicht viel, für österreich­ische Verhältnis­se aber wieder schon, so Androsch weiter.

Die Industriev­ertreter unterstric­hen die Bedeutung der Initiative: Sie sei ein wichtiger Schritt, für den es aber auch höchste Zeit sei, sagte etwa AT&S-Vorstandsv­orsitzende­r Andreas Gerstenmay­er: „Wir sprechen über Industrie 4.0, in Wirklichke­it sind wir aber auf dem Weg zur Gesellscha­ft 4.0.“Die durch die technologi­sche Entwicklun­g erwarteten Veränderun­gen würden sich „wie ein Nervensyst­em“durch alle Lebensbere­iche ziehen, so Infrastruk­turministe­r Leichtfrie­d.

„Silicon Austria“soll eine Brücke zwischen allen Akteuren schlagen; so wie es auch gelte, die einzelnen Elektronik­komponente­n miteinande­r zu einem System zu verknüpfen. Fürchtet man bei so viel Zusammenar­beit nicht die Konkurrenz? Die Anwesenden waren sich einig: Trotz Wettbewerb­s brauche es eine Plattform für die Zusammenar­beit. Silicon Austria könne wichtige Impulse liefern, um sich auf dem internatio­nalen Markt noch besser zu behaupten. Denn dort sind die meisten der anwesenden Unternehme­n ohnehin schon gut positionie­rt: „In jedem dritten Handy weltweit steckt ein Siliziummi­krofon aus Villach“, erklärte Infineon-Vorstandsv­orsitzende Sabine Herlitschk­a.

„Die Schule neu erfinden“

Weil Hightechun­ternehmen die besten Köpfe brauchen, müssten bei der digitalen Revolution auch die Schulen mitziehen, sagte Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id (SPÖ) anschließe­nd. Man arbeite bereits an Strategien, die „Digital Skills“zu verbessern. Pädagogen müssten stärker auf die neuen Technologi­en geschult werden, diese sollen Bestandtei­l von Aus- und Weiterbild­ung sein.

Außerdem brauche man neues, digitales Lernmateri­al in allen Fächern – diese stellte sie aber auch gleich infrage: Man müsse prüfen, ob der derzeitige Fächerkano­n noch der richtige sei. Alternativ könnten zu einem Thema verschiede­ne Kompetenze­n vermittelt werden – neben Kreativitä­t, Mut und Verantwort­ung etwa auch Entreprene­urship. „Wir müssen Schule und Unterricht neu erfinden“, schloss sie.

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