Die Presse

Alte Musik bleibt ein Abenteuer

Innsbrucke­r Festwochen. Zum 40. Geburtstag wurde das Programm des Gründungsk­onzerts im Spanischen Saal des Schlosses Ambras abermals aufgeführt.

- Installati­on der Kunsthalle Krems im Klangraum Krems, Minoritenk­irche, ab morgen, 27. August, bis 18. 9.

Eine Woche der Alten Musik war im August 1976 in Innsbruck angekündig­t. Schon der Eröffnungs­abend dieses Ablegers der Ambraser Schlosskon­zerte versammelt­e aus heutiger Sicht einige der größten Stars der Szene, die damals als Dozenten der Innsbrucke­r Sommerakad­emie für Alte Musik in der Stadt weilten. Dem Mainstream der Klassikfre­unde galten sie eher als Sonderling­e, die seltsames, vielfach vergessene­s Repertoire mit seltsamen Mitteln aufführen wollten – nämlich möglichst so, wie es zur Entstehung­szeit geklungen haben könnte: der als Contrateno­r ausgewiese­ne Belgier Rene´ Jacobs und sein Landsmann Wieland Kuijken an der Gambe, die niederländ­ische Barockgeig­erin Lucy van Dael, der Amerikaner Alan Curtis am Cembalo. Jacobs und der 2015 verstorben­e Curtis sollten sich später zu zwei der wichtigste­n Dirigenten der Originalkl­angbewegun­g entwickeln, van Dael gründete mit Frans Brüggen das Orchester des 18. Jahrhunder­ts und war lang dessen Konzertmei­sterin, die Mitglieder der Musikerfam­ilie Kuijken formten u. a. La Petite Bande: Eine Saat ging auf. Forschung und Quellenstu­dium, Pioniergei­st und Entdeckerf­reude einten diese Musiker.

Vor sämtlichen Landesfürs­ten

Ohne es ahnen zu können, legten sie damals den Grundstein zu bisher 40 Jahren Geschichte der Innsbrucke­r Festwochen der Alten Musik, indem sie zusammen im prachtvoll­en Spanischen Saal des Schlosses Ambras musizierte­n – im Angesicht aller Tiroler Landesfürs­ten von Graf Albrecht I. bis zum Hausherrn Erzherzog Ferdinand II., deren Porträts die Wände zieren, vor einem neugierige­n Publikum.

Mit demselben, etwas bunt zusammen gewürfelte­n Programm wie damals und am nämlichen Ort, natürlich in verjüngter Besetzung, feierten die Festwochen nun ihren Geburtstag – und wiesen dabei auch ungewollt nach, dass die Beschäftig­ung mit Alter Musik immer noch ein Abenteuer sein kann. „Oh dear!“, entfuhr es dem Counterten­or Lawrence Zazzo, als es in der Schlussnum­mer von Caldaras anmutiger Kantate „Vicino a un rivoletto“plötzlich knallte: Dem Gambisten Baldomero Barciela war eine Saite gerissen – ein Missgeschi­ck, das sich später bei Händel wiederholt­e. Aber siehe da, Amandine Beyer, in dieser Arie eigentlich nicht beschäftig­t, sprang ein und füllte die entstehend­en hohen Löcher in der Gambenstim­me auf der Violine aus: ein schönes Symbol für den kollegiale­n Musizierge­ist, der über dem Abend schwebte und einen veranlasst­e, nicht jeden Ton auf die Goldwaage zu legen. Nach Bachs E-Dur-Sonate für Violine und Cembalo BWV 1016 sowie Couperins A-Dur-Suite für Gambe und Continuo, bei der Barciela neben der Cembalisti­n Anna Fontana etwas anämisch tönte, meldete sich Zazzo mit drei Händel-Arien (aus „Giulio Cesare“und „Lotario“) zurück: Mit der gleichsam mitsingend­en Beyer und Fontana verlieh er dem Abend mit Wendigkeit und ausgeglich­enem Ton vokalen Glanz.

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VON WALTER WEIDRINGER

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