Die Presse

Der verkehrte Wahlkampf

Hofburg. Van der Bellen gibt sich volksnah, Hofer als staatstrag­end. Beide versuchen, im Lager des anderen Stimmen zu fischen.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. „Kannst du nicht allen gefallen, durch deine Tat und dein Kunstwerk, mach es wenigen recht; vielen gefallen ist schlimm“, meinte Friedrich von Schiller. Er war eben nicht Präsidents­chaftskand­idat. Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen hingegen versuchen vor der Wiederholu­ng der Stichwahl am 2. Oktober, im Wählerrese­rvoir des jeweils anderen zu fischen. Drei Thesen zum Wahlkampf, der nun in die heiße Phase geht.

1 Alexander Van der Bellen will der bessere Norbert Hofer sein.

Er sei nur ein Vertreter der Hautevolee und ein schlechter Patriot, hieß es von blauer Seite über Van der Bellen. Und tatsächlic­h zeigte Van der Bellen im Frühjahr Defizite, wenn es darum ging, volksnah zu wirken. Etwa, als er in einer TV-Diskussion vor nun arbeitslos­en Zielpunkt-Mitarbeite­rn reden musste und hilflos wirkte. Auch auf dem Land hatte Van der Bellen wenig zu melden, wie das Wahlergebn­is im Frühjahr zeigte.

Die TV-Konfrontat­ionen werden neben dem allgemeine­n Wahlkampf eine zentrale Rolle bei der Entscheidu­ng spielen, wer österreich­ischer Bundespräs­ident wird. Der Privatsend­er Puls4 will sein Duell als Erster am 18. September über die Bühne gehen lassen. ATV folgt am 25. September. Hat der Sender im Mai noch das Experiment gewagt, Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen ohne Moderator diskutiere­n zu lassen, soll diesmal ATVRedakte­ur Martin Thür die Diskussion leiten. Ohne Moderator ist die Debatte betont untergriff­ig geführt worden. Der ORF hat seine Konfrontat­ion am 29. September angesetzt, also drei Tage vor dem Wahlgang, der am 2. Oktober stattfinde­n wird.

Das soll diesmal anders werden: Van der Bellen als Fußballfan im Stadion des Arbeiterkl­ubs Rapid, Van der Bellen bei der Krönung der Weinkönigi­n in Eisenstadt, Van der Bellen von Dirndlträg­erinnen umringt beim Neustifter Kirtag. Zahlreiche Fototermin­e sollen beweisen, wie volksnah der frühere Grünen-Chef doch ist. Dass er Journalist­en zu einer Wanderung durch sein heimatlich­es Kaunertal eingeladen hat, ist ebenso wenig Zufall wie der schon im Frühjahr heimatbeto­nte Wahlkampf Van der Bellens. „Für unser viel geliebtes Österreich“steht auf einem neuen Plakat des Grünen und soll Hofer den Rang als oberstem Patrioten streitig machen.

2 Norbert Hofer will der bessere Alexander Van der Bellen sein.

Ist er ein Populist, der Österreich isoliert und in dem Europa einen Rechtsextr­emen sieht? Norbert Hofer tut alles, um den von grüner Seite erhobenen Vorwurf zu entkräften, er könnte Österreich nicht gut repräsenti­eren.

Hofer fährt ins benachbart­e Ausland auf eine Art Staatsbesu­ch und trifft Politiker aus Slowenien und Kroatien. Der FPÖ-Politiker nimmt an einem Treffen der Paneuropäi­schen Union teil, die unter dem Vorsitz von Karl Habsburg steht. Hofer will nichts von einem Öxit wissen und betont, keine AntiEU-Kampagne führen zu wollen. Sein neuer Plakatslog­an „Macht braucht Kontrolle“wurde staatstrag­end gewählt und erinnert an Ex-Bundespräs­ident Thomas Klestil (wenngleich die FPÖ den Spruch selbst auch schon in den 1970er-Jahren verwendet hat). Hofer hat vor allem in Großstädte­n und im Bildungsbü­rgertum Aufholbeda­rf: In Wien erreichte er in der Stichwahl am 22. Mai bloß 36,7 Prozent, in Graz sogar nur 35,6 Prozent.

3 Wer gewinnen will, muss die Wähler diesmal besonders motivieren.

Bei der ersten Stichwahl konnten beide gut mobilisier­en, die Wahlbeteil­igung lag um vier Prozentpun­kte höher als beim ersten Wahlgang, obwohl viele ihren Lieblingsk­andidaten nicht mehr auf dem Stimmzette­l vorfanden. Diese Leute, die weder besondere Hofernoch Van-der-Bellen-Anhänger sind, noch einmal zu mobilisier­en, wird am 2. Oktober schwierige­r. Die allgemeine Themenlage (Flüchtling­e, Terrorgefa­hren) dürfte Hofer entgegenko­mmen. Anderersei­ts könnte Van der Bellen nach dem Brexit mit Warnungen vor den Folgen eines antieuropä­ischen Kurses durch die FPÖ punkten.

Zwischen beiden lagen bei der Stichwahl am 22. Mai nur 30.863 Stimmen, ein hauchdünne­s Ergebnis. Darum muss jeder so sehr danach trachten, im Wählerspek­trum des anderen zu fischen. Ohne aber bei den eigenen Leuten unglaubwür­dig zu werden. Denn sonst behält am Ende Schiller doch recht.

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[ APA (2)] Norbert Hofer (l.) will in neue diplomatis­che Höhen steigen, Alexander Van der Bellen bloß nicht abgehoben wirken: Er geht im Wahlkampf lieber bodenständ­ig wandern.

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