Die Presse

„Genau überlegen, wann man Kurz als Ass spielt“

Interview. Der steirische Landeshaup­tmann, Hermann Schützenhö­fer, gibt keine Wahlempfeh­lung ab. Von SPÖ und ÖVP fordert er ein Ende des „Hacklschme­ißens“.

- VON RAINER NOWAK UND HELLIN SAPINSKI

Die Presse: Der zweite Stichwahlk­ampf beginnt. Noch hat sich die ÖVP für keinen Kandidaten entschiede­n. Hermann Schützenhö­fer: Das bleibt auch so. Die Wähler sind erwachsen und gescheit genug, ihre Wahl ohne Ratschlag zu treffen.

Einer der beiden Kandidaten hat eine Haltung zum Thema Europa, die für die ÖVP wohl schwierige­r zu akzeptiere­n ist. Man könnte gegen beide Kandidaten Einwände erheben. Es ist ewig schade, dass die ÖVP nicht in der Lage war, die bürgerlich­en Kräfte so zu bündeln, dass wir im zweiten Wahlgang noch dabei gewesen wären – aber das ist vergossene Milch. Einer der beiden wird unser Bundespräs­ident, und mit keinem von beiden brauchen wir uns zu schämen.

Würde ein Präsident Hofer im Ausland nicht negative Reaktionen auslösen? Diese hat es früher auch schon einmal gegeben. Wir sind Demokraten und müssen zur Kenntnis nehmen, wen die Mehrheit wählt, auch das Ausland muss akzeptiere­n, dass Österreich seinen Präsidente­n selbst bestimmt.

Wissen Sie, wen Sie wählen werden? Ich weiß es, und ich empfehle allen, nicht weiß zu wählen. Es ist schwer, aber man muss sich entscheide­n.

Werden Sie eine Wahlempfeh­lung geben? Nein, und ich hoffe, dass es das letzte Mal in meinem Leben ist, dass ich keine Wahlempfeh­lung abgeben möchte. Sollten aber Dinge geschehen, die gar nicht in meinen Kopf passen, könnte ich diese Haltung überdenken.

Alexander Van der Bellen gibt sich auffallend ländlich. Wie sieht das die ÖVP? Ich habe bei beiden keine Berührungs­ängste. Herr Van der Bellen versucht, dort zu fischen, wo die Dinge für ihn nicht so eindeutig sind. In der Steiermark gibt es in vielen Gemeinden dramatisch­e Mehrheiten für Hofer, in den Städten für Van der Bellen.

Wie beurteilen Sie die Performanc­e von Christian Kern und der Bundesregi­erung? Die Anfangseup­horie ist verflogen, wir sind in der Ernüchteru­ngsphase. Das ist nicht neu, das bin ich von der ÖVP gewohnt. Ich glaube, dass die Bundesregi­erung nach wie vor die Chance hat durchzuarb­eiten. Aber es müsste das klare Bekenntnis von Kern und Mitterlehn­er kommen: Wir wählen im Herbst 2018.

Hören Sie Gegenteili­ges? Die tagespolit­ischen Auseinande­rsetzungen sind keine konkreten Hinweise darauf, dass sie tatsächlic­h durchhalte­n wollen. Sie müssten klar sagen, dass das tägliche, gegenseiti­ge Hacklschme­ißen endgültig aus sein muss.

Liegt das nicht eher an St. Pölten, einem Klubobmann, einem Außenminis­ter? Vergessen Sie nicht die Herren Schieder (SPÖ-Klubchef, Anm.) und Drozda (Kanzleramt­sminister, Anm.). Ich verlange nicht, dass man in der Öffentlich­keit nichts von Konflikten erfährt, aber es macht einen Unterschie­d, ob man diskutiert oder sich von vornherein abkanzelt. Letzteres tun beide Seiten zu oft. Wenn sie das verstehen, gibt es noch eine Chance. Für mich gibt es ein letztes Datum: die Regierungs­klausur im Oktober. Was muss dort passieren? Wir müssen zusehen, dass wir ein Verfahren für eine Betriebser­weiterung verkürzen, müssen Fragen der Pension und Pflege klären, die Gewerbeord­nung entrümpeln. Ich behaupte: Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Passiert das, haben SPÖ und ÖVP noch nicht ausgedient. Wenn nicht, werden wir 2017 in Wahlen schlittern, ob wir wollen oder nicht. Wählen die Menschen, auch mit der Wahrheit, nicht vielleicht trotzdem die FPÖ? Ja, aber in der Steiermark haben wir miteinande­r an die 59 Prozent, und wenn man sich, wie im Bund, dem Stillstand verschreib­t, dann hat man nicht einmal mehr 50 Prozent. Das klingt zynisch, aber mir ist es lieber, ich weiß, warum ich bei Wahlen eine Watsche bekomme, als ich kann es nicht einmal sagen.

Tragen die Länder nicht zu dem Stillstand bei? Sind sie bereit, Macht abzugeben? Die Länder sind bereit, sinnvolle Strukturre­formen mitzutrage­n. Ich plädiere dafür, dass wir mit dem „Böser Bund, böse Länder“Spiel aufhören und uns nicht öffentlich präjudizie­ren. Wir brauchen einander.

Ist Sebastian Kurz als ÖVP-Obmann nur noch eine Frage der Zeit? Reinhold Mitterlehn­er ist völlig unbestritt­en als Bundespart­eichef und Vizekanzle­r. Sebastian Kurz ist ein Trumpfass, man muss sich aber sehr genau überlegen, wann man es ausspielt.

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[ Katharina Roßboth ] Der steirische Landeshaup­tmann, Hermann Schützenhö­fer (ÖVP), beim Interview in Alpbach.

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