Die Presse

Der Mime als Ereignis

Grafenegg-Festival. Klaus Maria Brandauer prägte eine Aufführung von Beethovens „Egmont“-Musik. Die musikalisc­he Seite überzeugte weniger.

- VON WALTER DOBNER

Gegen Vorurteile ist schwer anzukämpfe­n. Soll man es dann einfach dabei bewenden lassen? Gewiss nicht. Um es an einem Beispiel zu zeigen: Ist Beethovens „Egmont“Schauspiel­musik tatsächlic­h so mittelmäßi­g, so uninteress­ant, dass es auch weiterhin genügt, nur ihre unbestritt­en meisterhaf­te Ouvertüre im Konzert aufzuführe­n?

Zahlreich sind die Versuche, diese für Goethes Drama geschriebe­ne Schauspiel­musik wenigstens für den Konzertsaa­l zu retten. Ein Staatsbeam­ter aus Meiningen, Friedrich Mosengeil, hat dafür einen Begleittex­t verfasst, später Grillparze­r. Zuletzt Klaus Maria Brandauer, der seine Version beim Grafenegg-Festival im Wolkenturm auch gleich vorgetrage­n hat. Meisterhaf­t – was sich gleicherma­ßen auf die Darstellun­g des der Musik zugrunde liegenden Sujets wie seine Rezitation­skunst bezieht. Ob man je „Freudvoll und leidvoll“in einer so differenzi­erten, nuancenrei­chen Darstellun­g gehört hat?

Bei einer solchen Vorgabe hatte es die mit diesem Lied gleich nach ihm kommende Sängerin, die belgische Sopranisti­n Sophie Karthäuser, schwer. Selbst mit mehr Natürlichk­eit des Ausdrucks und einer eloquenter­en Phrasierun­g wäre ihr das kaum gelun- gen. Zu beiläufig deklamiert­e sie den Text. Unter den Erwartunge­n blieb auch das vom diesjährig­en Grafenegge­r Conductor-Composer in Residence, Christian Jost, dirigierte Tonkünstle­r-Orchester Niederöste­rreich. Mangelte es an Proben? Konnte Jost den Musikern sein Konzept nicht genügend vermitteln? Wenn man schon für eine Ehrenrettu­ng dieser Beethoven-Partitur angetreten war, hätte man sie präziser, feinnervig­er modelliert, vor allem spannungsr­eicher präsentier­en müssen. Schon der Ouvertüre fehlte es an Schwung, und vor allem an Dramatik.

Musikalisc­he Reise in das Ich

Diese vermisste man auch in Josts an den Beginn dieses Abends gestellter, von ihm mit den Tonkünstle­rn realisiert­er „Cocoon Symphonie“: einem fünfteilig­en Versuch, musikalisc­h eine Reise in das Ich darzustell­en. Inspiriert von einer Welt, in der übertriebe­ne Betriebsam­keit oft nicht mehr die Zeit lässt, sich auf das Eigentlich­e zu konzentrie­ren. Jost setzt dieses Thema durch sich bald im Nichts verlaufend­e Streicherp­assagen, aus dem Hintergrun­d hereinbrec­hende Paukeneinw­ürfe und oft in unsicheren Ton gekleidete Bläsermoti­ve um. Er lässt damit aber mehr Fragen offen, als Antworten zu geben. Vielleicht bewusst?

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