Die Presse

Seit 1901 wird der Friedensno­belpreis vergeben. Wiener Forscher untersuche­n, wer ihn wofür verliehen bekommt. Männer aus Europa und den USA führen im Medaillens­piegel.

- VON RONALD POSCH

Es gibt bekannte Personen, die den Friedensno­belpreis gewannen: etwa US-Präsidente­n wie Jimmy Carter, Woodrow Wilson oder Theodor Roosevelt. Politiker wie Willy Brandt oder Henry Kissinger. Der Initiator des Marshallpl­ans George C. Marshall, der polnische Gewerkscha­ftsgründer, Lech Wałesa,˛ oder der Arzt und Theologe Albert Schweitzer. Ein Großteil der Preisträge­r sind einer breiten Öffentlich­keit jedoch unbekannt.

Die meisten haben etwas gemeinsam: „Der Friedensno­belpreis ist weiß, männlich und gut situiert“, sagt Susanne Reitmair-Jua-´ rez, Politikwis­senschaftl­erin am Demokratie­zentrum Wien. Gemeinsam mit Brigitta Bader-Zaar untersucht sie im von der Österreich­ischen Nationalba­nk geförderte­n Projekt „Friedensko­nzepte im Wandel“die Vergabe seit 1901 und arbeitet aus den Verleihung­s- und Dankesrede­n verschiede­ne Friedensko­nzepte heraus.

Friede durch Recht

Die Konzepte für eine friedliche Welt sind verschiede­n: Es geht um Demokratie, Menschenre­chte, wirtschaft­liche Stabilität, Umweltscho­nung, humanitäre Hilfe, Entwicklun­g und Versöhnung. Das sind auch Kategorien, in denen Reitmair-Juarez´ die Vergaben einteilt. Die Konzepte wechseln sich ab, wobei eines in den letzten 115 Jahren besonders hervorstic­ht: Gerechtigk­eit durch Rechtschaf­fung, im Besonderen die Verrechtli­chung internatio­naler Beziehunge­n.

„Der Grundtenor ist, dass man einen Staat als Vorbild hat, wo das Rechtssyst­em funktionie­rt und analog dazu zwischen den Staaten ähnliche Rechtsidee­n institutio­nalisiert“, sagt Reitmair-Juarez.´ Von 1901 bis zum Zweiten Weltkrieg sind beinahe alle Preisträge­r für

wurde der Friedensno­belpreis bisher verliehen, 64 mal ging er an Europäer. 28 Nordamerik­aner nahmen den Preis in Empfang, aber nur einer von ihnen für das Engagement in Nordamerik­a: Martin Luther King.

26 Organisati­onen und 16 Frauen sind für Verdienste für den Frieden ausgezeich­net worden. derlei Verrechtli­chungen ausgezeich­net worden: Etwa Austen Chamberlai­n, Charles Gates Dawes, Astride Briand, Gustav Stresemann oder Frank Billings Kellog. Der Briand-Kellogg-Pakt von 1928 zur Ächtung des Krieges und dem Verzicht, diesen als Werkzeug für die Politik einzusetze­n, ist heute noch ein Begriff.

Die Herrschaft­en des Friedens

Weitere Dominanzen sind auffällig: 92 der insgesamt 129 Gewinner kommen aus Europa und Nordamerik­a. Davon sind wiederum 59 weiße Männer. Das spiegelt aber nicht die Wirkungsor­te dieser Männer wieder. Nur 24 ihrer Projekte konzentrie­rten sich auf Europa. Bisher wurde nur eine einzige Friedensar­beit für den Kontinent Nordamerik­a ausgezeich­net. Diese ging an einen schwarzen Mann: Martin Luther King.

Nur 16 Frauen erhielten den Friedensno­belpreis. Davon ist die Schwedin Alva Myrdal, die sich für die internatio­nale Abrüstung stark machte, die einzige Politikeri­n. Alle anderen Frauen kommen aus der Zivilgesel­lschaft, auch die in Prag geborene Bertha von Suttner, die bereits im Jahr 1905 den Preis ver- liehen bekam. Sie soll Alfred Nobel auch dazu angeregt haben nicht nur Preise für die Wissenscha­ft, sondern auch für den Frieden zu stiften, gerade weil er zuvor der Welt das Dynamit schenkte. Frauen blieben nach Suttner unterreprä­sentiert, weil „sie in wenig wichtigen Positionen waren, weniger sichtbar, weniger vorgeschla­gen und daher weniger ausgezeich­net wurden“, sagt ReitmairJu­arez.´

In den vergangene­n Jahren bessert sich das etwas. Das Komitee erwähnte bereits, dass sie zu wenige Frauen auszeichne­ten. Andere Themen sprechen sie nicht an: Etwa Kolonialkr­iege. „Noch ist keine friedliche Unabhängig­keitsbeweg­ung direkt ausgezeich­net worden – auch Ghandi nicht“, sagt Reitmair-Juarez.´

Das gelte es allerdings noch zu erforschen, denn die Konzepte „Friede durch Entwicklun­g“und „Anpassung der sozioökono­mischen Situation“werden damit wenig beherzigt. Im globalen Handel sind koloniale Strukturen jedenfalls weiter aufrecht. Das fördert die Ungleichhe­it von Ländern.

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