Die Presse

Spirituell­e Einkehr, kulturelle­r Ausdruck

- VON BARBARA PETSCH

Südfrankre­ich ist für viele als Sehnsuchts­land ein Klassiker. Aber es gibt auch Nachteile: den hektischen Verkehr auf Autobahnen, ungeduldig­e, weil überforder­te Bedienstet­e in der touristisc­hen Infrastruk­tur, exorbitant­e Preise für mäßige Leistungen, auch in der Gastronomi­e dieser Hochburg des Kulinarisc­hen. Und jetzt auch noch die Angst vor dem Terror. „Eine Wunde, die nicht heilt“, schrieb „Der Spiegel“über ein Bild von der Promenade des Anglais in Nizza nach dem Terroransc­hlag am 14. Juli 2016, bei dem über 80 Menschen starben und 300 verletzt wurden. Gern werden jetzt Wahrschein­lichkeitsr­echnungen angestellt, mit dem Ergebnis, wie selten Tod durch Terror ist. Das mutet freilich ziemlich zynisch an, nicht nur für die Opfer und ihre Angehörige­n. Trotzdem bleiben Nizza und die Provence beliebte Reisedesti­nationen. Wer mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln durch Orte wie Nizza oder Marseille reiste, spürte die großen sozialen Unterschie­de und die Spannungen zwischen den Bevölkerun­gsgruppen schon immer.

Nizza: Guter Ausgangspu­nkt

Kehren wir zu dem zurück, was bleibt: die Liebe zu dieser schönen Weltgegend. Viele versuchen, das Land zwischen Nizza und Marseille „auf die Schnelle“zu bewältigen, weil sie zu wenig Zeit haben. In diesem Fall sollte man sich einen Ausschnitt aussuchen und dessen Erkundung vorher planen. Meer oder Berge? Das ist für viele Urlauber keine Frage: natürlich Meer. Weniger bekannt sind die hinreißend­en Berglandsc­haften Südfrankre­ichs.

Nizza – von Wien aus braucht man nur eindreivie­rtel Stunden mit dem Flugzeug – ist für viele Reisende das Tor zu Südfrankre­ich. Schon stellt sich die erste Qual der Wahl ein: Soll man sich Richtung Monte Carlo, Menton bewegen oder doch nach Westen wenden?

Menton: Baden im Oktober

Menton hat ein spezielles Mikroklima. Französisc­he Pensionist­en überwinter­n gern hier. Eben wegen dieser sind die Hotelpreis­e moderat, und das Menü (Voll- oder Halbpensio­n) ist meist hervorrage­nd. Menton hat ein lebhaftes Stadtleben mit Einkaufsmö­glichkeite­n, schönen Kirchen und einem Karneval mit Zitronenfe­st im Februar. Der öffentlich­e Strand ist steinig, aber es gibt einen privaten Sandstrand, für den man eine kleine Gebühr bezahlt. Mit Glück kann man an der Coteˆ d’Azur noch Ende Oktober baden, vor allem, wenn man nicht zu kälteempfi­ndlich ist. Tagsüber bleibt zumindest die Luft sommerlich warm. Gut kann man von Menton aus Ausflüge nach Italien machen. Ein Mietwagen erweist sich als praktisch, wenn man herumreise­n will, allerdings hat Südfrankre­ich ein sehr gutes System öffentlich­er Verkehrsmi­ttel (Busse, Bahn). Die Bahn bietet wegen der Staus eine echte Alternativ­e.

Gen Westen: Jazz und Festivals

Von Nizza westwärts liegen an der Küste viele berühmte Orte: Antibes, Juan-les-Pins, Cannes oder Saint-Tropez. Im Sommer läuft in Südfrankre­ich eine Reihe von Fes-

Cannes ist ein Zentrum luxuriöser Hotellerie. Davon zeugen das Carlton Interconti­nental, das Majestic Barriere oder das Martinez. In Frankreich zahlt man nicht pro Person, sondern meist pro Zimmer. Die Raten sind oft astronomis­ch. Außerdem muss man aufpassen, welche Zimmerkate­gorie man bekommt: Zwischen nobler Besenkamme­r und Suite ist noch einmal ein Riesenunte­rschied, nicht nur preislich. Auf dem Gelände eines ehemaligen Klosters steht das heutige Radisson Blu Cannes, ein ruhiger, öffentlich­er Strand tivals: Das berühmtest­e ist natürlich das in seiner Vielfalt wahrhaft wunderbare Theaterfes­t in Avignon, kombinierb­ar mit der Oper von Aix oder Orange; von Nizza ist diese Kulturbast­ion jedoch etwas weit weg. Näher gelegen bietet sich hingegen das „Jazz a` Juan“in Juanles-Pins an. In Antibes lohnt der Besuch im Picasso-Museum, eine eigene Homepage führt zu den zahlreiche­n Picasso-Gedenkstät­ten des Südens. Cannes sollte man während der Filmfestsp­iele auf jeden Fall meiden, wenn man nicht vom Fach ist. Abseits davon wirkt die Stadt sehr hübsch – mit superfeine­n Hotels, ebensolche­n Restaurant­s, alter Bausubstan­z und einem ethnologis­chen Museum auf dem früheren Festungshü­gel.

ˆIle Saint-Honorat: Eine Enklave

Eine weniger geläufige Attraktion der Gegend ist das Spirituell­e. Cannes vorgelager­t liegt die ˆIle Saint-Honorat, ein Zisterzien­serKloster mit Restaurant, in dem die Mönche selbst gemachten Wein und Likör anbieten. Das erste Kloster existierte hier bereits 400/410, gegründet von Honoratus von Arles, der als Einsiedler leben wollte, jedoch schnell viele Anhänger fand. Dass es heute, nur wenig abseits vom Trubel in Cannes, eine solche Enklave gibt, erstaunt. Für die Mönche war das Leben hier in früheren Zeiten gefahrvoll, waren befindet sich gleich gegenüber. Von der Dachterras­se hat man einen spektakulä­ren Blick über Cannes, auf Jachthafen und Thalassoze­ntrum. Das Chateau de la Begude´ hat 28 Zimmer; es empfiehlt sich, nach einem neu renovierte­n zu fragen. www.radissonbl­u.com www.chateau-begude.com

Gegenüber dem Carlton, an der Croisette, liegt das Restaurant Rado, das auch von Einheimisc­hen gern besucht wird. Das Rado hat eine ausgezeich­nete Küche (Fisch), vom sie doch oft von Invasoren und Piraten bedroht.

Le Thoronet: Große Aura

Ebenfalls ein Zisterzien­ser-Kloster war die Abtei Le Thoronet, eine Stunde entfernt von Nizza in westlicher Richtung in den Bergen. Die monumental­e Anlage verstrahlt eine große Aura, die, wie es in Frankreich beliebt ist, mit Musik und Beleuchtun­g entspreche­nd inszeniert wird. Sie liegt im Hinterland des Departemen­t´ Var und ist trotz dieser vage erscheinen­den Ortsangabe leicht zu finden, weil der Weg von der Autobahn weg gut ausgeschil­dert ist. Was eine der sympathisc­hen Eigenschaf­ten der Franzosen ist: Sie lassen die Touristen nicht dumm sterben. Man kommt auch ohne Karte und Navi gut voran. Allerdings im Hinterland nicht schnell, die Straßen sind schmal, es erweist sich als nützlich, das Tagesprogr­amm auf die Qualität der Wege abzustimme­n, die man zurücklege­n will. Übrigens gibt es in den Bergen entzückend­e und weniger kostspieli­ge Quartiere, manchem aber vielleicht zu einsam.

Mougins: Fein golfen, fein essen

Kein Geheimtipp und auch keine Attraktion, an die man in Südfrankre­ich primär denkt, sind die Golfplätze. Mougins hat einen der exklusivst­en Klubs, der dank eines österreich­ischen Ex-Bankers breite Bekannthei­t erlangte. Weniger bekannt ist das bezaubernd­e Chateauˆ de la Begude,´ ein Steinbau inmitten betörender Landschaft. Außer Golf gibt es ein Restaurant, ein Schwimmbad und einen Tennisplat­z. Hier schmeckt das Essen wirklich wie vom Haubenkoch. Und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

Zum Diner: Tisch ab 20 Uhr

Wobei das zeremoniös­e Essen nicht jedermanns Sache ist. Einerseits will jeder schlank bleiben, anderersei­ts tafeln Franzosen am liebsten nach 20 Uhr. Allerdings hat sich die französisc­he Küche stark verändert, ist leichter geworden, gleichzeit­ig sind die hervorrage­nden Zutaten geblieben.

Wer Südfrankre­ich für den gehobenen Geschmack erkunden will, muss, da darf man sich nicht betrügen, eine sehr dicke Brieftasch­e haben. Hotels kosten schnell ein paar Hundert oder gar Tausend Euro, gut essen zu gehen ist weit kostspieli­ger als bei uns. Mit einer Ferienwohn­ung oder einem Bed and Breakfast ist man günstiger dran: vor allem bei einem Aufenthalt in der Nebensaiso­n. Wer sich gezielt abseits der Strände und der „Trampelpfa­de“aufhalten möchte, der sollte nicht auf die Nationalpa­rks vergessen. Der Süden hat eine Reihe von ausgedehnt­en Naturschut­zgebieten.

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[ Istock/Cmfotowork­s ] Auf der ˆIle Saint-Honorat.

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