Die Presse

Palma de Mallorca: Die unterschät­zte Stadt

Geschmack. Man kennt Mallorca für Sangria in Kübeln, Ramschtour­ismus und Millionen an Deutschen, die die Strände überrennen. Dabei ist die Inselhaupt­stadt Palma eine feine Anlaufstel­le, wenn es um kulinarisc­he Genüsse geht.

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Das Thunfisch-Tataki schmeckt so fein, es schmilzt richtig im Mund. Weich wie Butter ist das Stück, das im Forn de Sant Joan serviert wird. So wie das Fischtatar mit Guacamole davor und die mit Crema Catalana gefüllten Erdbeeren danach. Im mallorquin­ischen Restaurant in der Hauptstadt Palma de Mallorca wird ohne viel Aufhebens jeder Stereotyp über die bekannte Ferieninse­l widerlegt: billiger Alkohol, Fressorgie­n am Buffet, in Sonnencrem­e eingelegte Urlauber, die über Sangriaküb­eln gebeugt die Stadt einnehmen. Masse statt Klasse.

Im Forn de Sant Joan ist davon nichts zu bemerken. Die Tische sind stilvoll gedeckt, an den Wänden hängen Gemälde, die ein bisschen an die Karikature­n von Loriot erinnern. Spanier, aber auch Touristen dinieren in Anzügen und schicken Kleidern. Und das Restaurant, das etwas versteckt in der Carrer de Sant Joan in der Nähe der Catedral de Mallorca liegt, ist nicht einmal eine große Ausnahme. Der Ballermann, der etwas außerhalb der Stadt im Osten liegt, hat das Herz Palmas nicht geändert. Ge- rade in den Nebensaiso­nen, wenn die Millionen Touristen, die im Juli und August die Inseln stürmen, diese verlassen haben, erobern sich die Einwohner ihre Insel wieder zurück – und geben den Blick auf jene Vorzüge der Insel frei, die sonst verdeckt werden.

Gute Restaurant­s sind in Palma (wie überhaupt fast alles) oft in Gehnähe aneinander­gereiht. Meist nicht mehr als ein paar Sitzplätze groß, stylisch eingericht­et und durchaus eigenwilli­g. Da wäre La Juanita in Carrer Flassaders, wo der Besitzer Koch und Kellner gleichzeit­ig ist und nur das zubereitet, auf das er gerade Lust hat. Dafür geht er jeden Morgen zum Markt und kauft frisch ein. Oder die Bäckerei Forn de la Pau, in der Brot noch im Holzofen gebacken wird – die Panadas mit Erbsen und Faschierte­m sind ein kleines Fest.

Kekse von den Nonnen

Unweit von dort liegt einer der ältesten Süßigkeite­nproduzent­en der Stadt. Im Kloster Santa Maria Magdalena backen die Nonnen (wie oft in Spanien) Kekse. Wer sie kaufen will, muss bei einer Schwester durch eine kleine Luke bestellen. Bei Süßspeisen, so wie die Österreich­er sie kennen, haben die Mallor- quiner sowieso Tradition. Im alten Can Joan de s’Aigo gibt es nicht nur die alte Fassade und Inneneinri­chtung, das Lokal wurde 1700 gegründet, zu besichtige­n, sondern Ensa¨ımadas und Gato,´ für die die Insel bekannt ist. Ersteres ist eine Art Teigschnec­ke, Gato´ der typische Mandelkuch­en.

Essen, Kunst und Genuss inmitten von schöner Natur. Das haben schon andere genossen. Joan Miro´ etwa lebte und arbeitete hier lange Zeit, seine Frau kam aus einer bekannten Familie aus Mallorca, wird den Besuchern in der Fundacio´ Pilar i Joan Miro´ a Mallorca erzählt. Die Fundacio´ hat Miro´ selbst gegründet. Im Schatten von Johannesbr­otbäumen lässt sich dort zwischen Ausstellun­g und Atelier hin und her wandern. Es ist noch immer alles so hinterlass­en, als würde der Künstler morgen wieder mit der Arbeit beginnen. Wer im Patio steht, genießt den Blick auf das Meer.

Hippes Fischerdor­f

Und nicht nur dort. Wenn es nicht zu heiß ist, borgt man sich ein Fahrrad aus und radelt an der Strandprom­enade gen Osten. Schnell verliert man die Kathedrale aus dem Blick, und erreicht die jungen, hippen Gegenden, wie das ehemalige Fischerdör­fchen El Molinar. Erst eine halbe Stunde später kommt er ins Blickfeld, der berüchtigt­e Ballermann 6, der abseits der Hochsaison mehr Beklemmung­sgefühle ob der Betonbunke­r verursacht, als Argwohn vor saufenden Horden. Die sind einfach nicht da.

Zurück in der Stadt ist ein Ausflug zum Gourmetmar­kt San Juan fast schon Pflicht. Er wurde vor einem Jahr renoviert und eröffnet. 18 Stände bieten nun verschiede­ne Tapas an, freilich immer zum Teilen mit Freunden, wie es in Spanien üblich ist. Tortilla in jeder Variation, kleine Burger, Kroketten – und richtig guten Wermut.

Apropos Alkohol. Auf Mallorca wird auch Wein produziert. Das Weingut Bodegas Bordoy ist das südlichste der Insel. „Wir kämpfen derzeit damit, dass Mallorca nicht nur für seinen Sommertour­ismus, sondern auch für seine gute Weinkultur bekannt wird“, sagt Marketing-Managerin Sandra Adrian vom Weingut. Die junge Deutsche ist in Spanien aufgewachs­en. Lange Zeit, erzählt sie, hätten Weine aus Mallorca den Ruf gehabt, teuer und schlecht zu sein. „Das Schlechtse­in haben wir im Griff, aber am Teuersein müssen wir noch arbeiten“, scherzt sie. Weinbau auf einer Insel, das sei schwierig, weil man alles importiere­n müsse. Im Weingut wird Chardonnay, Cabernet Sauvignon und Merlot angebaut – und viel mit autochthon­en Sorten experiment­iert. 80 Prozent der Weine, die in Mallorca produziert werden, sind rot. Das Weingut kann jederzeit besichtigt werden, inklusive Führung und Verkostung.

Nach dem Sommer, sagt Adrian, ist die Zeit, in der die Einheimisc­hen die Insel am meisten genießen. Dann flanieren sie selbst durch die Stadt, in der sich gefühlt jeder kennt und wo sich Freunde schon einmal ein Hallo über die ganze Straße zubrüllen. Ganz so, als wäre das Image der überfüllte­n Ferieninse­l gar nicht existent.

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