Die Presse

Nur die pure Essenz

Hausgeschi­chte. Wie baut man in Hanglage und an einer Hauptverke­hrsader? Man fokussiert sich auf Seeblick und Weinweishe­it: „In vino veritas“lässt schräge, aber keine faulen Kompromiss­e zu.

- VON DANIELA MATHIS

Wein ist geschaffen, dass er die Menschen fröhlich machen soll“(Altes Testament). „Wein ist unter den Getränken das nützlichst­e, unter den Arzneien die schmackhaf­teste, und unter den Nahrungsmi­tteln das angenehmst­e“(Plutarch). „Wein ist Poesie in Flaschen“(Robert L. Stephenson). Das Getränk wie das Wissen um seine Herstellun­g und Wirkung haben sich durch die Jahrhunder­te entwickelt und differenzi­ert – seine Bedeutung ist geblieben.

Wie soll nun ein Haus sein, das dem Wein und seiner Kultur gerecht werden kann? Den Bewohnern im Alltag und den Besuchern, die zur Verkostung kommen? Eine Aufgabe, der sich die ad2 Architekte­n ZT KG gestellt haben. Denn der Hausherr von Objekt RnEVE Burgenland ist Weinbauer „mit Herz und Seele“, wie Architekti­n Andrea Dämon erzählt. „Und da Weinbauern meist puristisch-erdige Menschen sind, haben wir das auch im Haus und den Materialie­n so umgesetzt.“Sichtbeton, Holz, Eternit und viel Glas bestimmen das Außen wie das Innen, im Wohnbereic­h bringen Textilien in Türkisund Blautönen sanfte Gemütlichk­eit in die Räume. Und die Kinder dürfen an die Wand malen, kritzeln und schreiben: jedenfalls da, wo Tafelwände und Kreide Raum für spontane Kreativitä­t lassen, für kleine Kunstwerke und Kritzeleie­n, Einkaufs- und To-do-Listen, und was sonst öffentlich aufs Tapet gebracht werden will.

Natur im Haus

„Es war uns wichtig, dass die Natur quasi ins Haus kommt. Vom Weingarten über die Terrasse ins Haus, gleich ins Bad und dann in den Wohnbereic­h: So lässt sich ein Arbeitstag stimmig beenden.“Und auch wer gerade zur Toilette geht, kann dabei mit etwas Glück die Vögel nicht nur zwitschern hören, sondern auch sehen. Erschlosse­n ist das Gebäude am Neusiedler­see von der Straße aus in drei Stockwerke­n, wobei nur das oberste als Wohnbereic­h dient. Links beim Eingang unten gleich die Garage, rechts ein Weinkeller, im Zwischenge­schoß Arbeitsräu­me wie Waschküche oder Heiztechni­k, aber auch Platz für Verkostung­en mit einem kleinen Gästeberei­ch zum Übernachte­n, „damit die Besucher dann am Morgen frisch und munter den neuen Tag beginnen können“, so Dämon.

Bergtour

Durch alles führt, an einer imposanten schrägen Wand aus Sichtbeton, eine Treppe in ebensolche­r Ausführung. Die Betonschal­ung der außergewöh­nlichen Wand war keine leichte Übung – doch dem Effekt durchaus angemessen. Viele Stufen sind es bis zum belohnende­n Ausblick auf Weinberge und Neusiedler See, den man von Küche, Wohnraum, Terrasse, Kinderbere­ich und Badezimmer genießen kann. „Fast eine kleine Bergtour, Fitnessrau­m haben wir keinen mehr eingeplant“, schmunzelt die Architekti­n. Doch die dritte Ebene ist nicht nur durch trainierte Beine zu erreichen. Barrierefr­ei ausgericht­et, lässt sie sich bei Bedarf zusätzlich von der Gartenseit­e aus erreichen.

Sonnenaufg­ang

Neben der Hanglage war der Verkehrslä­rm die größte Herausford­erung: Das Grundstück liegt direkt an einer Hauptverke­hrsader. Noch dazu wollte der Hausherr, ein Frühaufste­her, das Schlafzimm­er in Richtung Nordost ausgericht­et haben – was gleichzeit­ig straßensei­tig ist. „Da haben wir uns eine Zweifachab­schirmung überlegt. Dreifachve­rglastes Fenster, davor eine schräge Miniterras­se mit Lamellenfr­ont in Eternit.“So lässt es sich bis zur morgendlic­hen Rushhour im Sommer auch mit offener Terrassent­ür trefflich schlafen.

Dabei war es anfangs gar nicht klar, ob das Grundstück überhaupt für qualitativ hochwertig­es Wohnen nutzbar ist. „Wir haben uns den Hang schon vor dessen Erwerb angesehen, haben Verkehrsau­fkommen und Sonnenstan­d und all die Dinge beobachtet, die man wissen muss, um bei dieser Ausgangsla­ge eine gute Lösung bieten zu können“, erzählt Dämon. Erst dann gaben sie ihr Okay und machten sich an die Arbeit. Vorgaben und Einwände vom Bauherrn gab es wenige, sodass auch die mittlerwei­le gängige Umwelttech­nik verwendet wurde. Dank zeitgemäße­r Isolierung und Luftwärmep­umpe ist das Gebäue energietec­hnisch sparsam, beheizt wird es durch eine Fußbodenhe­izung in den Betonmonop­latten.

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Platz zum Verkosten (links), gemütliche Wohnebene (Mitte), imposanter Stiegenauf­gang (rechts).
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[ ad2 Architekte­n ZT KG ] Zu ebener Erde und erstem sowie zweitem Stock: Auf drei Ebenen wird der Hang im Haus spürbar, die Lage zwischen Straße und Weingarten genutzt.

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