Nur die pure Essenz
Hausgeschichte. Wie baut man in Hanglage und an einer Hauptverkehrsader? Man fokussiert sich auf Seeblick und Weinweisheit: „In vino veritas“lässt schräge, aber keine faulen Kompromisse zu.
Wein ist geschaffen, dass er die Menschen fröhlich machen soll“(Altes Testament). „Wein ist unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzneien die schmackhafteste, und unter den Nahrungsmitteln das angenehmste“(Plutarch). „Wein ist Poesie in Flaschen“(Robert L. Stephenson). Das Getränk wie das Wissen um seine Herstellung und Wirkung haben sich durch die Jahrhunderte entwickelt und differenziert – seine Bedeutung ist geblieben.
Wie soll nun ein Haus sein, das dem Wein und seiner Kultur gerecht werden kann? Den Bewohnern im Alltag und den Besuchern, die zur Verkostung kommen? Eine Aufgabe, der sich die ad2 Architekten ZT KG gestellt haben. Denn der Hausherr von Objekt RnEVE Burgenland ist Weinbauer „mit Herz und Seele“, wie Architektin Andrea Dämon erzählt. „Und da Weinbauern meist puristisch-erdige Menschen sind, haben wir das auch im Haus und den Materialien so umgesetzt.“Sichtbeton, Holz, Eternit und viel Glas bestimmen das Außen wie das Innen, im Wohnbereich bringen Textilien in Türkisund Blautönen sanfte Gemütlichkeit in die Räume. Und die Kinder dürfen an die Wand malen, kritzeln und schreiben: jedenfalls da, wo Tafelwände und Kreide Raum für spontane Kreativität lassen, für kleine Kunstwerke und Kritzeleien, Einkaufs- und To-do-Listen, und was sonst öffentlich aufs Tapet gebracht werden will.
Natur im Haus
„Es war uns wichtig, dass die Natur quasi ins Haus kommt. Vom Weingarten über die Terrasse ins Haus, gleich ins Bad und dann in den Wohnbereich: So lässt sich ein Arbeitstag stimmig beenden.“Und auch wer gerade zur Toilette geht, kann dabei mit etwas Glück die Vögel nicht nur zwitschern hören, sondern auch sehen. Erschlossen ist das Gebäude am Neusiedlersee von der Straße aus in drei Stockwerken, wobei nur das oberste als Wohnbereich dient. Links beim Eingang unten gleich die Garage, rechts ein Weinkeller, im Zwischengeschoß Arbeitsräume wie Waschküche oder Heiztechnik, aber auch Platz für Verkostungen mit einem kleinen Gästebereich zum Übernachten, „damit die Besucher dann am Morgen frisch und munter den neuen Tag beginnen können“, so Dämon.
Bergtour
Durch alles führt, an einer imposanten schrägen Wand aus Sichtbeton, eine Treppe in ebensolcher Ausführung. Die Betonschalung der außergewöhnlichen Wand war keine leichte Übung – doch dem Effekt durchaus angemessen. Viele Stufen sind es bis zum belohnenden Ausblick auf Weinberge und Neusiedler See, den man von Küche, Wohnraum, Terrasse, Kinderbereich und Badezimmer genießen kann. „Fast eine kleine Bergtour, Fitnessraum haben wir keinen mehr eingeplant“, schmunzelt die Architektin. Doch die dritte Ebene ist nicht nur durch trainierte Beine zu erreichen. Barrierefrei ausgerichtet, lässt sie sich bei Bedarf zusätzlich von der Gartenseite aus erreichen.
Sonnenaufgang
Neben der Hanglage war der Verkehrslärm die größte Herausforderung: Das Grundstück liegt direkt an einer Hauptverkehrsader. Noch dazu wollte der Hausherr, ein Frühaufsteher, das Schlafzimmer in Richtung Nordost ausgerichtet haben – was gleichzeitig straßenseitig ist. „Da haben wir uns eine Zweifachabschirmung überlegt. Dreifachverglastes Fenster, davor eine schräge Miniterrasse mit Lamellenfront in Eternit.“So lässt es sich bis zur morgendlichen Rushhour im Sommer auch mit offener Terrassentür trefflich schlafen.
Dabei war es anfangs gar nicht klar, ob das Grundstück überhaupt für qualitativ hochwertiges Wohnen nutzbar ist. „Wir haben uns den Hang schon vor dessen Erwerb angesehen, haben Verkehrsaufkommen und Sonnenstand und all die Dinge beobachtet, die man wissen muss, um bei dieser Ausgangslage eine gute Lösung bieten zu können“, erzählt Dämon. Erst dann gaben sie ihr Okay und machten sich an die Arbeit. Vorgaben und Einwände vom Bauherrn gab es wenige, sodass auch die mittlerweile gängige Umwelttechnik verwendet wurde. Dank zeitgemäßer Isolierung und Luftwärmepumpe ist das Gebäue energietechnisch sparsam, beheizt wird es durch eine Fußbodenheizung in den Betonmonoplatten.