Die Presse

Auf einer Jacht namens Quantitati­ve Easing

Geld. Eine Gruppe hat zuletzt wirklich profitiert: Die extrem Reichen konnten ihren Reichtum extrem steigern. Da kann man nur gratuliere­n.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wertsachen von Nikolaus Jilch. Eine Gruppe hat von der Entwicklun­g zuletzt wirklich profitiert: Die extrem Reichen konnten ihren Reichtum noch einmal extrem steigern. Da kann man nur von Herzen gratuliere­n.

Hollywood produziert seit einiger Zeit nur noch Schrott. Das ist eine objektiv feststellb­are Tatsache, die auch von den meisten namhaften Experten bestätigt wird. Statt mutiger neuer Ideen gibt es nur noch einen Aufguss nach dem anderen. Wie viele Teile umfasst „Star Wars“inzwischen? Ich hab schon aufgehört zu zählen.

Eine löbliche Ausnahme ist erwähnensw­ert: Ausgerechn­et das Genre des Finanzfilm­s wird plötzlich richtig gut. Das liegt natürlich an der historisch­en Finanzkris­e. So ist das eben: Geht es mit der Wirtschaft aufwärts, interessie­rt sich kaum jemand dafür. Aber wenn es kracht, will jeder wissen wieso.

Steve Eisman wusste schon lang vor dem Ende von Lehman Brothers, dass etwas faul ist im System. Wer Eismans Geschichte nicht kennt, kann sie in „The Big Short“nachsehen. Der Film mit Christian Bale, Ryan Gosling, Steve Carell und Angelina Jolies zukünftige­m Exmann Brad Pitt kam heuer in die Kinos und war völlig zu Recht für fünf Oscars nominiert. Inzwischen ist er auch auf Netflix.

Die Geschichte ist – im Nachhinein – schnell erzählt: Sie handelt von vier Männern, die anhand der Zahlen und anderer Indizien schon lang vor der Krise ahnten, dass der US-Immobilien­markt und die dahinterli­egende Finanzstru­ktur auf Sand gebaut sind. In den Jahren vor der Krise wurden diese vier freilich ausgelacht. Ihnen war es egal, denn sie haben gegen den Markt gewettet und gut verdient. Nach der Krise schrieb Michael Lewis ein Buch über sie, heuer folgte dann der Film. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt.

Steve Eisman, der im Film Mark Baum heißt, wird von Steve Carell gespielt. Es ist ein ziemlich brillanter Auftritt von Carell, der sonst eher als Komiker bekannt ist. Dass „Big Short“erst Jahre nach der Krise in den Kinos gelandet ist, hat einen großen Vorteil. Die Moral der Geschichte kommt besser rüber. Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich sie rasch umreiße: Wir haben nichts dazugelern­t.

Im Gegenteil: Wir haben eine Finanzkris­e, die durch zu lockeres Geld ausgelöst wurde, mit noch mehr lockerem Geld bekämpft. Seitdem haben wir das Geld

noch stärker gelockert. Immer und immer wieder. Seit der Krise sind die Zinsen weltweit 666 Mal gesenkt worden. Von den Billionen und Aberbillio­nen, die die Zentralban­ken zusätzlich in den Markt gepumpt haben, ganz zu schweigen. Klar, das System und die Banken wurden wieder einmal gerettet. Aber die Methoden müssen immer mehr verschärft werden. Anders geht es nicht.

So wie das System der USHypothek­enpapiere, das vor fast zehn Jahren zusammenge­brochen ist, basiert das ganze Finanzsyst­em auf dem Prinzip der Expansion. Für das Geldsystem bedeutet das: Inflation – also die ständige Ausweitung der Geldmenge. Nachdem die Banken inzwischen verschreck­t sind und die Geldmenge durch Kredite nicht mehr schnell genug aufblasen, haben die Zentralban­ken den Job zwischenze­itlich selbst übernommen – und es Quantitati­ve Easing genannt. Easing, das heißt in etwa „Erleichter­ung“.

Dieser Eingriff hat einen sehr gewollten Effekt: Das Finanzsyst­em ist nicht unkontroll­iert zusammenge­brochen. Dafür gilt den Währungshü­tern zu Recht Dank, denn ein derartiges Mad-Max-Szenario wird sich niemand wünschen. Aber jeder Eingriff in den Markt erzeugt Nebenwirku­ngen. Und Steve Eisman weiß auch welche: „Quantitati­ve Easing ist nicht mehr als Geldpoliti­k für reiche Leute“, sagte er kürzlich bei einer Veranstalt­ung in Miami. Die Zentralban­ken würden QE einsetzen, um Risiko zu minimieren und die Menschen zu Investment­s an den Märkten zu bewegen. „Aber die meisten Menschen investiere­n nicht an der Börse. Sie investiere­n in Banken, sie sparen mehr. Banken zahlen aber keine Zinsen für ihr Geld.“

Eisman bezeichnet sich selbst als „sehr links“. Er versteht aber trotzdem etwas von Inflation: Die führt zu einem ständigen Wettlauf. Wer aufsteigen will in der Welt, muss rascher Geld machen, als er es durch die Entwertung verliert. Wenn die Teuerung „normal“ist, also die Inflations­rate bei rund zwei Prozent liegt, läuft dieses Wettrennen im Verborgene­n ab. Derzeit herrscht kaum Teuerung – dafür sinken die Zinsen auf null oder sogar darunter. Der Effekt ist derselbe, aber er ist viel auffällige­r. Insofern erreicht die Geldpoliti­k ihr Ziel. Der Sparer weiß, dass er verliert, wenn er nicht an den Märkten nach Rendite sucht.

Es bringt auch nicht viel, sich über diese Inflation des Geldes zu echauffier­en. Es ist halt, wie es ist. Nach der ganz großen Deregulier­ung des Geldsystem­s in den 1970er-Jahren ist die Geldmenge explodiert – und mit ihr die ungleiche Vermögensv­erteilung, von der wir heute so oft hören.

Jetzt herrscht wenigstens Transparen­z, die Umverteilu­ng nach oben wird greifbar. Dank Quantitati­ve Easing. So erodiert in rund einem Drittel der Industriel­änder die Mittelschi­cht, auch in Österreich. Das zeigen die Daten des „Global Wealth Report“der Allianz. Auffällig ist aber: In Ländern wie der Schweiz oder auch Frankreich kann die Mittelschi­cht zwar noch zulegen – aber die Zahl der Reichen nimmt ab. Es gibt also Absteiger in die Mittelschi­cht.

„Die Oberklasse schrumpfte insgesamt. Dies trifft aber nicht auf eine entscheide­nde Untergrupp­e zu, das reichste Bevölkerun­gsdezil. Dessen Anteil am Vermögen ist in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich gestiegen“, so die Allianz: „Letztlich trifft dies auch auf die Verhältnis­se im globalen Maßstab zu.“Die Spitze der Verteilung­spyramide entfernt sich immer weiter vom Durchschni­tt. „Und wird immer dünner.“

Soll heißen: Die wirklich Megareiche­n, die auch auf Millionäre und sogar manche Milliardär­e nur mitleidig herabschau­en können, profitiere­n seit Jahren übermäßig von der geldpoliti­schen Umverteilu­ng. Sei es, weil sie schlauer sind als alle anderen. Oder weil sie bessere Berater oder Connection­s haben. In jedem Fall: Gratulatio­n! Ich hoffe, einer der mitlesende­n Megareiche­n hat so viel Humor und nennt seine nächste 40-Meter-Jacht Quantitati­ve Easing.

Steve Eisman würde vielleicht schmunzeln. Die Frage nach dem größten aktuellen Risiko im Finanzsyst­em beantworte­t er nämlich so: „Dass die Welt das Vertrauen in Quantitati­ve Easing verliert.“Dieser Punkt nähert sich. Auch das zeigen die Daten der Allianz. Denn die Wirkung der Geldschwem­me lässt nach. Selbst die Megareiche­n profitiere­n inzwischen weniger.

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[ Reuters ]

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