Die Presse

Syrisches Regime startet Angriff auf Rebellen in Aleppo

Bürgerkrie­g. Der von der Opposition kontrollie­rte Osten der syrischen Stadt liegt unter Dauerbesch­uss.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Kairo/Damaskus. Die Waffenruhe für Syrien liegt in Trümmern, das syrische Regime verwandelt Aleppo in ein Inferno. Rund um die Uhr greifen syrische und russische Kampfflugz­euge die eingeschlo­ssenen 250.000 Bewohner an, um den von Rebellen gehaltenen Osten der Stadt in den nächsten Tagen sturmreif zu schießen. Augenzeuge­n sprechen von den schlimmste­n Stunden, die sie je erlebt hätten. Ganze Straßenzüg­e stehen in Flammen. „Die Angriffe sind so fürchterli­ch, es ist einfach unbeschrei­blich“, sagte ein Sprecher der Weißen Helme – der syrischen Hilfsorgan­isation, die am Donnerstag in Stockholm mit dem Alternativ­en Nobelpreis ausgezeich­net worden waren.

Bereits Stunden nach der Ehrung zerstörte das syrische Regime drei ihrer vier Einsatzzen­tren in Aleppo, der Krankenwag­en und das Feuerwehra­uto der Ersthelfer sind nun Schrott. Zugleich kündigte der syrische Generalsta­b eine Großoffens­ive gegen die geteilte Stadt an, während die Lebensmitt­el für die eingeschlo­ssenen Menschen an der türkischsy­rischen Grenze verrotten.

„Treffen war enttäusche­nd“

In New York trafen sich in eisiger Atmosphäre die Staaten der Syrienkont­aktgruppe. Ihr gehören neben den USA und Russland wichtige europäisch­e Mächte, die Nachbarn Syriens und die regionalen Gegner im Syrienkonf­likt an. Die Diplomaten gingen ohne Ergebnis auseinande­r, nachdem sich die russische Seite kategorisc­h geweigert hatte, die Angriffe der eigenen und der syrischen Luftwaffe auf die Zivilbevöl­kerung zu stoppen. „Das Treffen war lang, schmerzhaf­t und enttäu- schend“, erklärte UN-Syrienverm­ittler Staffan de Mistura. Stattdesse­n stehe Aleppo wieder unter Beschuss. Im Hinblick auf eine mögliche neue Waffenruhe seien die nächsten Stunden oder Tage ausschlagg­ebend – „entweder sie schaffen es, oder alles ist kaputt“.

Russische Splitterbo­mbe?

Derweil bekräftige­n die USA ihren Vorwurf, dass syrische und russische Kampfflugz­euge für den Angriff auf einen UN-Hilfskonvo­i im Städtchen Uram alKubra westlich von Aleppo verantwort­lich seien. US-Generalsta­bschef Joseph Dunford erklärte vor dem US-Senat, in der Bombennach­t seien russische und syrische Kampfflugz­euge über dem Gebiet gewesen. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Russen verantwort­lich sind, ich weiß nur nicht, welche der Flugzeuge die Bomben geworfen haben“, so Dunford. Anders als von Moskau behauptet, hätten sich weder Drohnen noch Flugzeuge der westlichen Anti-IS-Koalition in der Region Aleppo aufgehalte­n.

Ein Indiz sind auch die Reste eines russischen Sprengkörp­ers, die Helfer in einem Einschlags­krater in der Lagerhalle des Syrischen Roten Halbmondes fanden. Splitterbo­mben dieses Typs werden in Syrien nur von Russen und Syrern eingesetzt.

AUF EINEN BLICK

Syriens Regime von Machthaber Bashar al-Assad versucht offenbar, die nordsyrisc­he Stadt Aleppo völlig unter seine Kontrolle zu bringen. Der von Aufständis­chen kontrollie­rte Osten der Stadt, in dem noch 250.000 Menschen leben, liegt unter schwerem Feuer. Syrische und russische Flugzeuge greifen die Rebellenvi­ertel massiv aus der Luft an. Die Attacken sollen laut syrischem Militär eine Bodenoffen­sive vorbereite­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria