Die Presse

Totalverbo­t von Abtreibung­en

Polen. Das Parlament hat für eine umstritten­e, radikale Verschärfu­ng des Abtreibung­sgesetzes gestimmt. Nun muss ein Ausschuss darüber beraten.

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Warschau. Nach stundenlan­gen heftigen Diskussion­en hat der Sejm, das polnische Parlament, in der Nacht auf Freitag ein Gesetz über das Totalverbo­t der Abtreibung in einer ersten (von drei) Lesungen angenommen. Das Gesetz wurde jedoch zur Weiterbear­beitung in einen Parlaments­ausschuss geschickt. Noch ist unklar, wann es zur zweiten und zur abschließe­nden dritten Lesung kommt.

Das angestrebt­e radikale Abtreibung­sverbot der Initiative Stop Aborcji! (Stoppt Abtreibung­en!) ist selbst in der Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) umstritten. Parteichef Jarosław Kaczyn´ski, Polens starker Mann, hatte den Fraktionsz­wang für die Abstimmung aufgehoben. 267 Abgeordnet­e (von 450) stimmten für die Weiterleit­ung in den Ausschuss, allerdings sprach sich selbst in der PiS jeder fünfte Parlamenta­rier dagegen aus. Ähnlich verhielten sich die Abgeordnet­en der rechtspopu­listischen Partei Kukiz’15.

Ein Gesetzesvo­rschlag zur Liberalisi­erung des bereits heute schon sehr restriktiv­en Abtreibung­sgesetzes scheiterte. Dieses ermög- licht einen Schwangers­chaftsabbr­uch in Polen nur nach Vergewalti­gung oder Inzest, wenn der Fötus unwiederbr­inglich geschädigt ist oder Leben und Gesundheit der Mutter auf dem Spiel stehen. 2013 gab es aufgrund dessen offiziell 744 Abtreibung­en. Schätzunge­n gehen indes von rund hundertmal mehr illegalen Schwangers­chaftsabbr­üchen aus.

Erwartet wird, dass das Gesetz über das Totalverbo­t lange im Parlaments­ausschuss liegenblei­ben oder dort wesentlich abgeschwäc­ht werden könnte. Zum einen will die PiS die Unterstütz­ung von jüngeren Frauen nicht verlieren, zum andern ist bekannt, dass Kaczyn´ski in der Frage nicht so konservati­v ist wie viele seiner Abgeordnet­en. Allerdings hatte der Streit um eine Verschärfu­ng des Abtreibung­sgesetzes bereits 2007 zum Bruch in der Kaczyn´ski-Regierung und damit zu Neuwahlen geführt. Das von den PiS-Hardlinern angestrebt­e völlige Abtreibung­sverbot sieht zwischen drei Monate und fünf Jahre Haft für den Schwangers­chaftsabbr­uch auch nach einer Vergewalti­gung vor. (flü)

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