Die Presse

Mit gutem Gefühl ins Tal hinunterra­deln

Sport. Drei leidenscha­ftliche Linzer Radfahrer waren mit der Bauweise von Teleskopsa­ttelstütze­n unzufriede­n. Sie gründeten eine Firma und entwickelt­en eine neue Bauweise, die Mountainbi­ken sicherer und bequemer machen soll.

- VON TIMO KÜNTZLE

Wer die Talfahrt mit seinem Mountainbi­ke ohne Salto vorwärts plant, steht auf. Nur so bringen abwärts Radelnde den Körper zentral über das Rad und den Schwerpunk­t nach unten, um spontan eingeleite­te Flugmanöve­r des Hinterreif­ens abzuwenden. Das Problem: Sitzt man dann mehr oder weniger hinter dem Sattel, kann dieser hochsensib­len Körperregi­onen in die Quere kommen. Vor allem männliche Fahrer möchten sich ein übersehene­s Hindernis in dieser Position erst gar nicht ausmalen.

In der Szene haben sich deshalb in den vergangene­n Jahren sogenannte Teleskopsa­ttelstütze­n durchgeset­zt: per Seilzug oder Hydraulik ermögliche­n sie es, den Sattel bequem vom Lenker aus nach unten zu verstellen – für mehr Bewegungsf­reiheit und ein sichereres Gefühl beim Talwärtsra­uschen. Eine Gasdruckfe­der hebt den Sattel vor dem Bergauffah­ren wieder nach oben. Allerdings fanden die drei leidenscha­ftlichen Biker des Start-ups Eightpins die Ausführung dieser Teleskopsä­ttel nicht optimal. „Das Problem war, dass diese Sattelstüt­zen eine Mischung aus Bürostuhl und einem sehr alten Fahrradsta­ndard sind“, erklärt Andreas Haimberger, einer der drei Köpfe.

Mit dem Gesäß verstellen

Gemeint ist das bis ins Jahr 1890 zurück verfolgbar­e Prinzip der Sattelrohr­klemme, das die Sattelstüt­ze mit dem Rahmen des Fahrrades verbindet; auch der dafür gebräuchli­che Schnellspa­nner wurde schon 1930 zum Patent angemeldet. In Kombinatio­n mit einem Teleskopsa­ttel bringe dies mechanisch­e Probleme mit sich. Vor allem, weil es zweier Rohre bedarf: einem Mantelrohr, das fix im Rahmen klemmt und einem inneren, gezwungene­rmaßen dünneren Teleskopro­hr zum Hoch- und Runterfahr­en. „Das Rohr ist so chronisch überlastet“, so Haimberger, der selbst noch immer ein bis zwei Mal die Woche auf dem Rad sitzt. Auch die Anpassung an unterschie­dliche Körpergröß­en war schwierig.

Dieses Branchen-Konzept der 2-fach-Teleskopie­rung wollen die Tüftler nun nachhaltig durchbroch­en haben. Lukas Eberlberge­r, der Maschinenb­autechnike­r im Team, hat fünf Jahre lang an einer Lösung gefeilt. Die mittlerwei­le vierte Variante will der bayerische Mountainbi­kekomponen­ten-Hersteller Syntace jetzt in einen seiner Rahmen verbauen. Das Partnerunt­ernehmen, das vor allem in Sachen Sicherheit­stests unterstütz­te, nimmt den oberösterr­eichischen Erfindern ihre ersten 1500 vollintegr­ierten Vario-Sattelstüt­zen ab.

„Man drückt einfach auf den Knopf, schiebt den Sattel mit dem

für Sättel oder Laufräder gehen auf den italienisc­hen Erfinder und Radrennfah­rer Tullio Campagnolo zurück. Im November 1927 wollte er bei einem Rennen in den Dolomiten den Gang wechseln, dazu musste er damals noch das Hinterrad umdrehen. Als das Feld vorüberzog, soll er geflucht haben: „Hier muss sich etwas ändern!“ Gesäß nach unten, und dort wo man auslässt, bleibt der Sattel stehen“, bringt Haimberger die Funktionsw­eise der neuen Technologi­e auf den Punkt. Sattelklem­me und Mantelrohr sind überflüssi­g; per Steckachse ist die Sattelstüt­ze direkt im Fahrradrah­men fixiert. Für eingefleis­chte Biker ist das der Clou: Je nach Körpergröß­e und Fahrstil lassen sich die Höhe des Sattels und der Hub getrennt voneinande­r einstellen. Vor allem kleineren Fahrern hilft das: Für sie war der Hub herkömmlic­her Modelle bislang oft zu groß, sodass die obere Sattelposi­tion nicht tief genug zu justieren war.

Einen Entwicklun­gsschub schreibt das Start-up, zu dem auch Grafikdesi­gner Patrick Buchberger gehört, der Preseed-Förderung durch das Austria Wirtschaft­sservice zu. Dass der Sitz ihrer Firma mit Linz nicht gerade im Mountainbi­kekernland liegt, sei übrigens ein Vorteil: Im nahen Hügelland wechseln Berg- und Talstrecke­n öfter als im hochalpine­n Gebiet. Ideal für Testfahrte­n.

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