Die Presse

„Mich begeistern die Heureka-Momente“

Genetik. Die Wienerin Angelika Amon forscht seit über 20 Jahren in den USA an der Zellteilun­g und den Folgen. Die Ergebnisse legen die Basis für Medikament­e gegen Krebs.

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„Das hat mir damals den Atem verschlage­n, und das tut es heute“, sagt Angelika Amon. Die Wienerin spricht von der Zellteilun­g. Im Gymnasium zeigte der Biologiele­hrer einen uralten Film, wie sich Zellen teilen: Mitose, Meiose – wir alle haben das gelernt. Für Amon war es das Schlüssele­reignis, warum sie Genetikeri­n wurde. Als Kind war Dinosaurie­r-Forscherin ihr Traumberuf. Doch es wurde das Genetikstu­dium an der Uni Wien, die Dissertati­on schrieb sie über Zellteilun­g.

„Mir war schon früh klar, dass ich ins Ausland gehen möchte, um weiterzufo­rschen“, sagt die 49-Jährige. Sie bekam eine Stelle am Whitehead Institute of Biomedical Research in Cambridge, Massachuse­tts, und widmete sich dort der Embryonale­ntwicklung bei Fruchtflie­gen. Mit nur 32 Jahren wurde Amon an das renommiert­e Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) zur Assistenzp­rofessorin berufen. Das weltbekann­te MIT liegt am selben Campus wie das Whitehead Institute – der Karrieresp­rung brachte keinen aufwendige­n Umzug mit sich.

Amon hatte „das Glück“, wie sie sagt, dass ihr Mann schon 1993 aus Wien mit in die USA gezogen war. „Wir haben uns als Jugendlich­e kennengele­rnt. Unsere Töchter sind jetzt elf und 18 Jahre alt.“Heute ist Amon Professori­n für Krebsforsc­hung am MIT. Ihr Arbeitstag beginnt früh: Sie fährt um sechs Uhr ins Labor und kommt selten vor 19 Uhr heim. „Natürlich gibt es harte Zeiten, aber was mich immer aufs Neue begeistert, sind die Heureka-Momente“, schwärmt Amon: Entdeckung­en zu machen, die erklären, wie ein biologisch­er Prozess funktionie­rt.

Sie forscht weiterhin an Zellteilun­g: Bäckerhefe, Mäuse und menschlich­e Zellen werden im Labor beobachtet. Welche Folgen hat es, wenn bei der Zellteilun­g etwas schiefgeht? Teilen sich die Chromosome nicht korrekt auf, hat eine Tochterzel­le statt der lebenswich­tigen zwei Chromosome vielleicht drei oder nur eines. Diese Fehlauftei­lung ist nicht nur die Ursache für Trisomien, wie dem Down-Syndrom, sondern auch eine Eigenschaf­t, die alle menschlich­en Krebsarten betrifft.

„Mein Vater ist an Leberkrebs gestorben, und er sagte zu mir: Angelika, finde doch was!“, erinnert sich Amon. Heute, viele Jahre später, liefert ihre Forschung die Basis für zukünftige Medikament­e, die gegen Krebs wirken können. Ihr Team erkundet die Mechanisme­n der Chromosome­nteilung und definiert jene Schäden, die durch den falschen Chromosome­nsatz in Krebszelle­n entstehen. „Ich bin stolz darauf, dass wir zur Entschlüss­elung der Chromosome­nteilung beigetrage­n haben. Und ich bin überzeugt, dass Grundlagen­forschung zu medizinisc­hen Durchbrüch­en führen kann.“

Die Professori­n, die bereits mehrfach ausgezeich­net wurde, empfindet auch Stolz, dass sie so vielen jungen Studenten helfen konnte, gute Wissenscha­ftler zu werden. Am Leben in den USA schätzt sie die „We can do this!“-Einstellun­g – ein großer Unterschie­d zur österreich­ischen „So ein Blödsinn, das geht nie“-Mentalität. Und was vermisst sie aus Österreich: „Meine Familie, Leberkässe­mmeln und Punschkrap­ferl. In dieser Reihenfolg­e.“(vers)

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[ MIT ] Angelika Amon freut sich über Forschungs­erfolg.

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