Die Presse

Ein Kleinstaat als Beispiel für die britische Großmacht?

Liechtenst­ein. Das Fürstentum nimmt am Europäisch­en Wirtschaft­sraum teil, ohne selbst Mitglied in der EU zu sein. Über Sonderrech­te, die in den Neunzigern gewährt wurden, bleibt die Ausländerq­uote niedrig.

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Das Land zwischen Österreich und der Schweiz ist klein: Gerade 160 Quadratkil­ometer groß und hat nur 37.000 Einwohner. Dennoch ist Liechtenst­ein ein bekannter Wirtschaft­s- und Finanzplat­z – und es ist kein Mitglied der EU, zugleich aber Teil des Europäisch­en Wirtschaft­sraums EWR. Das heißt, es kann vom schwungvol­len Handel mit Europa profitiere­n, und – was noch sehr wichtig ist – es kann die Zuwanderun­g begrenzen, ohne die geltende Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit anzuerkenn­en.

Der Grund dafür liegt darin, dass Vaduz schon Anfang der Neunzigerj­ahre, im Zuge der Verhandlun­gen über einen EWR-Beitritt, einen hohen Ausländera­nteil von gut einem Drittel hatte. Diese Quote wurde von Brüssel auch für die Zukunft als Obergrenze anerkannt, ein Sonderrech­t für den Kleinstaat. In einer Erklärung zum EWR-Beitritt im Mai 1995 heißt es, dass Liechtenst­ein „ein sehr kleines bewohnbare­s Gebiet ländlichen Charakters mit einem ungewöhnli­ch hohen Prozentsat­z an ausländisc­hen Gebietsans­ässigen und Beschäftig­ten“sei und deshalb Sonderrech­te genieße.

Heute hat Liechtenst­ein 33,7 Prozent Ausländera­nteil – davon die Hälfte aus der EU. Und die Anzahl wird nur wenig größer. Aufgrund dieses Sonderrech­ts hat Liechtenst­ein zum Beispiel im Jahr 2015 nur 631 neue Aufenthalt­serlaubnis­se erteilt – inklusive der Aufnahme von Flüchtling­en. Aus allen EWRLändern muss das Land jährlich nur 40 Personen aufnehmen, aus der benachbart­en Schweiz nur 19.

Enge Verbindung mit der Schweiz

Das Fürstentum Liechtenst­ein ist aber auch aus anderen Gründen nur begrenzt als Modell für die Briten anzusehen. Es kommen jeden Tag 19.000 Ausländer zur Arbeit ins Land. Sie kommen vor allem aus der Schweiz und Österreich, aber auch aus Deutschlan­d. Ihre Kaufkraft landet daher auch zu einem großen Teil in diesen Ländern. Die engste Verbindung hat Liechtenst­ein mit der Schweiz: Seit 1924 ist es mit dem Nicht-EWRMitglie­d Schweiz in einer Wirtschaft­s-, Zollund Währungsun­ion verbunden.

Die Regierung in Vaduz zieht regelmäßig eine positive Bilanz der Mitgliedsc­haft im EWR. Dieser sei für die wirtschaft­lichen Belange Liechtenst­eins maßgeschne­idert. Von den Binnenmark­trichtlini­en hat Liechtenst­ein nahezu 100 Prozent umgesetzt.

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[ Reuters ] Liechtenst­ein trat 1995 dem Europäisch­en Wirtschaft­sraum (EWR) bei.

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