Die Presse

Die Korallengä­rten von Pemuteran

- VON MARTEN HAHN

Ein Strand, eine Bucht, eine Handvoll Urlauber unter indonesisc­her Sonne. In Pemuteran an Balis Nordküste fällt einem vor allem die Ruhe auf. Und die dicken Stromkabel, die durch den Sand ins Meer führen. Und die Windmühle, die auf einer Plattform hinter der Brandung schwimmt und im Wind rattert. Pemuteran ist ein Gegenentwu­rf zum lauten Massentour­ismus im Süden Balis. Partys? Gibt’s hier nicht. Wer sehen will, wie Naturschut­z und Tourismus voneinande­r profitiere­n können, ist hier richtig.

Man könnte Made Gunaksa, der in Pemuteran lebt und arbeitet, nach den dicken Kabeln und der Windmühle fragen. Besser aber geht man mit ihm auf Tauchstati­on. Wir gleiten keine Minute durch die türkise Unterwasse­rwelt, als schemenhaf­t ein riesiges Seepferd auftaucht, dann ein Wal, ein Hammerhai, ein Delfin, ein Manta, Fahrräder, ein Tiger, eine Art UFO, etwas, was aussieht wie ein Gartenpavi­llon und eine Zylinderst­ruktur, auf der Korallen wachsen. Darüber schweben blau leuchtende Fische wie Glühwürmch­en über einer Regentonne. Wir treiben durch einen Garten aus sogenannte­n BiorockSku­lpturen. Made Gunaksa ist einer der Gärtner. Die korallenbe­wachsenen Skulpturen bestehen aus Stahl und Metallgewe­be und werden mit Gleichstro­m versorgt, teils aus dem Hotelresor­t, daher die Kabel am Strand, und aus der Windmühle.

Elektrolys­e durch Gleichstro­m

Strom, Metall, Wasser. Was in der Badewanne zu vermeiden ist, haucht hier der Unterwasse­rwelt neues Leben ein. Durch den angelegten Gleichstro­m kommt es zur Elektrolys­e. Auf den Stahlstruk­turen lagern sich so Salze ab. Gunaksa und seine Kollegen vom lokalen Biorock-Projekt setzen auf die Gerüste dann abgebroche­ne, aber noch lebende Korallen, die dort in kürzester Zeit festwachse­n und ein künstliche­s Riff bilden. Ohne die Stahlgerüs­te mit Salzmantel müssten die Korallen einen großen Teil ihrer Energie darauf verwenden, selbst einen festen Untergrund zu schaffen. Doch weil das BiorockVer­fahren den Korallen hier die Arbeit abnimmt, wachsen sie viermal so schnell wie unter natürliche­n Umständen.

Erfunden hat das Verfahren Wolf Hilbertz. Der deutsche Architekt stand am Strand von Pemuteran und baute an einer der ersten Stahlstruk­turen, als ihm Rani Morrow-Wuigk über den Weg lief. „Ich bin auf Bali hängen geblieben und in Pemuteran gestrandet“, erzählt die Deutsche mit australisc­hem Pass. Seit 1988 lebt Morrow-Wuigk fast durchgängi­g auf der Insel. Sie wurde zur leidenscha­ftlichen Taucherin und Unterwasse­rfotografi­n, merkte aber bald, wie sich die Meereswelt veränderte: „Das Zyanidund Dynamitfis­chen hat mich geschockt.“Mit Zyanid betäubten die Einheimisc­hen Fische, um sie als Aquarienfi­sche zu verkaufen. Mit Sprengsätz­en wiederum jagte man Speisefisc­he, tötete aber alles im Umkreis der Explosion. „In der Nähe einiger Riffe konnte man nicht tauchen. Das war zu gefährlich, wegen der Bomben.“Ganze Riffe gingen so in den vergangene­n Jahrzehnte­n zugrunde. Als MorrowWuig­k beim Schnorchel­n dann Hilbertz’ Gerüste im Wasser entdeckte und sah, wie effizient die Korallenau­fzucht funktionie­rte, fragte sie den Architekte­n, wie viel es kosten würde, die ganze Bucht damit zu bestücken. Der Beginn des BiorockPro­jekts in Pemuteran. Zunächst ging es Morrow-Wuigk und ihren einheimisc­hen Mitstreite­rn um Naturschut­z. „Ich dachte nicht an Touristen. Aber dann erfuhren Leute von uns und plötzlich profitiert­en die Hotels. Die Menschen wollten mal etwas anderes sehen.“Mit Korallen bewachsene riesige Seepferdch­en zum Beispiel. Von Anfang an hatten Hilbertz und sein Kollege, der Korallenfo­rscher Tom Goreau, experiment­iert und ausprobier­t, was den Korallen und Fischen am besten gefiel. Heute schmiedet Gunaksa kleinere, aber kunstvolle­re Gerüste.

Über die Jahre entstanden in Pemuteran Unterkünft­e, Läden und Tauchbasen. Am Strand wurde ein Biorock-Infozentru­m gebaut. Das Häuschen ist gleichzeit­ig Hauptquart­ier der Pecalang Laut, der Ozeanpoliz­ei. Dreimal die Woche patrouilli­eren acht Leute in der Bucht, insgesamt arbeiten 60 Dorfbewohn­er für die Truppe, die Gunaksa leitet. Dynamit- und Zyanidfisc­hen ist heute bei strengen Strafen verboten. Die Ozeanpoliz­ei sorgt dafür, dass sich die Fischer daran halten.

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[ Philipp Günther (2), Rani-Morrow-Wuigk] An der Nordküste von Bali hauchen Aktivisten der Unterwasse­rwelt neues Leben ein: Sie siedeln Korallen auf versenkten Stahlgerüs­ten an. Wo früher Speisefisc­he mit Dynamit gejagt wurden, gingen ganze Korallenri­ffe zugrunde. Seit Jahren siedeln hier ein...
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