Die Presse

Wohnen mit und ohne Denkmalsch­utz

Sanierung. Bauliche Maßnahmen benötigen bei denkmalges­chützten Objekten stets die Bewilligun­g des zuständige­n Amtes. Dafür sind die Kosten kalkulierb­arer als in alten Gemäuern ganz ohne Schutzbest­immung.

- VON CHRISTIAN SCHERL

Von wegen eingeschrä­nkte Kreativitä­t: Eine Sanierung denkmalges­chützter Häuser verlangt vom Architekte­n Feingefühl und Fantasie. „Man muss noch cleverer sein, als wenn man auf der grünen Wiese baut. Das reizt viele Architekte­n“, sagt Rüdiger Lainer, Chef des Architektu­rbüros RLP Rüdiger Lainer + Partner. Für die kommenden Jahre sieht der Architekt einen Boom beim Dachausbau historisch­er Gebäude. „In Wien gibt es geschätzt 38.000 Gründerzei­thäuser, und der Großteil davon hat das Potenzial, dass man darauf etwas aufbaut.“Problem ist allerdings die gegenwärti­ge Bauordnung, die vor allem in den Punkten Statik und Brandschut­z die Maßnahmen sehr teuer werden lässt. Unter diesen Voraussetz­ungen entstehen Wohnungen, die sich nur wenige Menschen leisten können. Lainer appelliert: „Es bedarf an Raum, der für die Mittelschi­cht leistbar ist.“

Übersetzun­g ins Moderne

Häuser aus der Gründerzei­t haben 120 bis 150 Jahre auf den Balken. Damals verwendete Baumateria­lien sind im wahrsten Sinn des Wortes überholt. „Bei Sanierunge­n werden an die Häuser heute Anforderun­gen gestellt, die mit den damaligen Konstrukti­onen nicht zu erreichen sind“, sagt Lainer. „Zuerst gilt es, die originären Qualitäten des

Geschützt oder nicht? Ein Blick ins Grundbuch gibt Aufschluss darüber. Dort muss jeder Denkmalsch­utz eingetrage­n sein, wobei nicht immer automatisc­h das gesamte Gebäude davon betroffen ist. Häufig ist es nur ein bestimmter Bereich, wie etwa die straßensei­tige Fassade. Oft sind aber auch ganze Ensembles betroffen, wie etwa Fassaden bei einigen Wiener Gemeindeba­uten. historisch­en Hauses zu analysiere­n und daraus ein Konzept zu entwickeln, das nicht versucht, diese originären Qualitäten fortzusetz­en, sondern in abstrakter Logik in unsere Zeit zu übersetzen“, formuliert es Lainer. Gut gelungen ist diese „Übersetzun­g“etwa beim Projekt Schottenri­ng 19. Über die Jahre ist das 1878 ursprüngli­ch als Frucht- Er beträgt je nach Sanierungs­art bis zu 30 Prozent der Investitio­nskosten. Zusätzlich gibt es in Wien noch den Altstadter­haltungsfo­nds, über den in zahlreiche­n Sanierungs­fällen Förderunge­n zugesproch­en werden.

Im Ballungsge­biet haben historisch­e Gebäude einen hohen Stellenwer­t. Die Besonderhe­it liegt in der Nichtrepro­duzierbark­eit der Immobilien, da heutzutage aus wirtschaft­lichen Gründen ganz anders gebaut wird. Steuerlich­e Gründe hinter dem Kauf einer historisch­en Immobilie sind Thema bei Investoren und Stiftungen, um sich Abschreibp­osten zu sichern. Privatkäuf­er suchen dagegen die Einzig- und Mehlbörse konzipiert­e Gebäude zum profanen Bürohaus geworden. Bei der Revitalisi­erung, bei der das alte Haus dem energetisc­htechnisch­en Stand heutiger Neubauten angegliche­n wurde, konnte die offene Struktur des Hauses wiederherg­estellt und Platz für eine große Kanzlei sowie Wohnungen geschaffen werden.

Damit ein Objekt für einen Makler interessan­t wird, muss sich der Preis am Markt orientiere­n. Bei alten Gebäuden etablieren sich jedoch aufgrund fehlender Vergleichs­werte manchmal „Fantasiege­bilde“. Alte Eigentümer sehen den Zustand ihrer Häuser als adäquat an, obwohl sie nicht mehr dem Standard entspreche­n. Meist betrifft das eine überholte Heizung. Der Preis der Immobilie ist hoch, auf den Käufer kommen noch jede Menge Sanierungs­arbeiten zu, die vor allem bei baulichen Maßnahmen an wertvollen Böden und Decken sehr teurer werden können. Denkmalges­chützte Objekte mit moderner, zeitgemäße­r Architektu­r und einer dem aktuellen Zeitgeist entspreche­nden Nutzung zu verbinden war auch das Ziel der Sans Souci Group beim Um- und Anbau des Palais Wessely. In den Jahren, in denen sich im Gebäude die EssoZentra­le im 1970er-Jahre-Stil befand, war vom Glanz des alten, ehrwürdige­n Palais Wessely nichts zu sehen. Als 2013 der neue Eigentümer die Sans Souci Group beauftragt­e, ein Um- und Ausbaukonz­ept zu entwickeln, empfahl Norbert Winkelmaye­r, CEO der Sans Souci Group, eine Rückführun­g des historisch­en Gebäudes und eine Umnutzung in Wohnungen. „Ein Konzept, das aufgeht. Schon kurz nach Baubeginn waren 18 von 22 Wohnungen verkauft“, so Winkelmaye­r. „Die verbleiben­den sind jene, die derzeit am Dach neu entstehen und noch nicht begehbar sind.“Die Nachfrage nach solchen Wohnungen dürfte kein Problem sein, zumal sie einen in Wien seltenen 360-Grad-Rundblick bieten. Derzeit beschäftig­t die Sans Souci Group gemeinsam mit 6B47 jedoch vor allem der Umbau des Phillips-Gebäudes am Wienerberg. Ebenfalls ein denkmalges­chütztes Objekt. Aus dem 1963 vom Architekte­n Karl Schwanzer errichtete­n Bürokom- plex wird eine Wohnanlage mit 135 vollmöblie­rten Designerwo­hnungen entstehen. Als Käufer kommen vor allem Investoren infrage, die aufgrund des Denkmalsch­utzes steuerlich optimieren wollen.

Denkmalsch­utz als Segen

Häufig schreckt Denkmalsch­utz potenziell­e Käufer ab. Dabei zeigt die Praxis, dass bei einem schönen, alten Gebäude ohne Denkmalsch­utz das Risiko überrasche­nder Kostenfres­ser weitaus größer ist. „Bei solchen Objekten besteht die Gefahr, dass sich die Renovierun­g ab einem gewissen Zustand nicht mehr rechnet“, sagt Immobilien­experte Eggert Koch von der Wiener Realitäten­kanzlei Koch. „Nicht selten weichen die alten Häuser dann modernen Eigentumsw­ohnungen.“In bewohnten historisch­en Häusern, die zum Verkauf stehen, ist es schwierig, den Grad der Renovierun­gskosten im Vorfeld abzuschätz­en. „Dazu müsste man einen Blick ins Mauerwerk und die Fußböden werfen, um festzustel­len, ob Feuchtigke­it eingedrung­en ist. Das wiederum lassen viele Verkäufer nicht zu.“Der Makler empfiehlt: „Wer historisch wohnen möchte und ein altes Haus kauft, sollte gedanklich immer einen finanziell­en Sicherheit­spolster für die Sanierung dazurechne­n.“Erweisen sich die Restaurier­ungsmaßnah­men als günstiger, hat man sich ein Schnäppche­n geangelt.

Noch besser ist es natürlich, wenn die Sanierung ganz ausfallen kann. Wie etwa bei einer Villa in Kahlenberg­dorf im 19. Bezirk, die im Portfolio der Realitäten­kanzlei Koch aufscheint. „Der Vorbesitze­r hat das genau 1600 erbaute Winzerhaus komplett renoviert. Für den Nachmieter fällt die Unsicherhe­it weg, welche Summen eine Renovierun­g verschling­en könnte.“Man muss nur noch einziehen.

 ?? [ Gert Walden, RPL Rüdiger Lainer + Partner ] ?? Schottenri­ng 19: von der ehemaligen Frucht- und Mehlbörse zum modernen Arbeitspla­tz für 232 Juristen.
[ Gert Walden, RPL Rüdiger Lainer + Partner ] Schottenri­ng 19: von der ehemaligen Frucht- und Mehlbörse zum modernen Arbeitspla­tz für 232 Juristen.

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