Wohnen mit und ohne Denkmalschutz
Sanierung. Bauliche Maßnahmen benötigen bei denkmalgeschützten Objekten stets die Bewilligung des zuständigen Amtes. Dafür sind die Kosten kalkulierbarer als in alten Gemäuern ganz ohne Schutzbestimmung.
Von wegen eingeschränkte Kreativität: Eine Sanierung denkmalgeschützter Häuser verlangt vom Architekten Feingefühl und Fantasie. „Man muss noch cleverer sein, als wenn man auf der grünen Wiese baut. Das reizt viele Architekten“, sagt Rüdiger Lainer, Chef des Architekturbüros RLP Rüdiger Lainer + Partner. Für die kommenden Jahre sieht der Architekt einen Boom beim Dachausbau historischer Gebäude. „In Wien gibt es geschätzt 38.000 Gründerzeithäuser, und der Großteil davon hat das Potenzial, dass man darauf etwas aufbaut.“Problem ist allerdings die gegenwärtige Bauordnung, die vor allem in den Punkten Statik und Brandschutz die Maßnahmen sehr teuer werden lässt. Unter diesen Voraussetzungen entstehen Wohnungen, die sich nur wenige Menschen leisten können. Lainer appelliert: „Es bedarf an Raum, der für die Mittelschicht leistbar ist.“
Übersetzung ins Moderne
Häuser aus der Gründerzeit haben 120 bis 150 Jahre auf den Balken. Damals verwendete Baumaterialien sind im wahrsten Sinn des Wortes überholt. „Bei Sanierungen werden an die Häuser heute Anforderungen gestellt, die mit den damaligen Konstruktionen nicht zu erreichen sind“, sagt Lainer. „Zuerst gilt es, die originären Qualitäten des
Geschützt oder nicht? Ein Blick ins Grundbuch gibt Aufschluss darüber. Dort muss jeder Denkmalschutz eingetragen sein, wobei nicht immer automatisch das gesamte Gebäude davon betroffen ist. Häufig ist es nur ein bestimmter Bereich, wie etwa die straßenseitige Fassade. Oft sind aber auch ganze Ensembles betroffen, wie etwa Fassaden bei einigen Wiener Gemeindebauten. historischen Hauses zu analysieren und daraus ein Konzept zu entwickeln, das nicht versucht, diese originären Qualitäten fortzusetzen, sondern in abstrakter Logik in unsere Zeit zu übersetzen“, formuliert es Lainer. Gut gelungen ist diese „Übersetzung“etwa beim Projekt Schottenring 19. Über die Jahre ist das 1878 ursprünglich als Frucht- Er beträgt je nach Sanierungsart bis zu 30 Prozent der Investitionskosten. Zusätzlich gibt es in Wien noch den Altstadterhaltungsfonds, über den in zahlreichen Sanierungsfällen Förderungen zugesprochen werden.
Im Ballungsgebiet haben historische Gebäude einen hohen Stellenwert. Die Besonderheit liegt in der Nichtreproduzierbarkeit der Immobilien, da heutzutage aus wirtschaftlichen Gründen ganz anders gebaut wird. Steuerliche Gründe hinter dem Kauf einer historischen Immobilie sind Thema bei Investoren und Stiftungen, um sich Abschreibposten zu sichern. Privatkäufer suchen dagegen die Einzig- und Mehlbörse konzipierte Gebäude zum profanen Bürohaus geworden. Bei der Revitalisierung, bei der das alte Haus dem energetischtechnischen Stand heutiger Neubauten angeglichen wurde, konnte die offene Struktur des Hauses wiederhergestellt und Platz für eine große Kanzlei sowie Wohnungen geschaffen werden.
Damit ein Objekt für einen Makler interessant wird, muss sich der Preis am Markt orientieren. Bei alten Gebäuden etablieren sich jedoch aufgrund fehlender Vergleichswerte manchmal „Fantasiegebilde“. Alte Eigentümer sehen den Zustand ihrer Häuser als adäquat an, obwohl sie nicht mehr dem Standard entsprechen. Meist betrifft das eine überholte Heizung. Der Preis der Immobilie ist hoch, auf den Käufer kommen noch jede Menge Sanierungsarbeiten zu, die vor allem bei baulichen Maßnahmen an wertvollen Böden und Decken sehr teurer werden können. Denkmalgeschützte Objekte mit moderner, zeitgemäßer Architektur und einer dem aktuellen Zeitgeist entsprechenden Nutzung zu verbinden war auch das Ziel der Sans Souci Group beim Um- und Anbau des Palais Wessely. In den Jahren, in denen sich im Gebäude die EssoZentrale im 1970er-Jahre-Stil befand, war vom Glanz des alten, ehrwürdigen Palais Wessely nichts zu sehen. Als 2013 der neue Eigentümer die Sans Souci Group beauftragte, ein Um- und Ausbaukonzept zu entwickeln, empfahl Norbert Winkelmayer, CEO der Sans Souci Group, eine Rückführung des historischen Gebäudes und eine Umnutzung in Wohnungen. „Ein Konzept, das aufgeht. Schon kurz nach Baubeginn waren 18 von 22 Wohnungen verkauft“, so Winkelmayer. „Die verbleibenden sind jene, die derzeit am Dach neu entstehen und noch nicht begehbar sind.“Die Nachfrage nach solchen Wohnungen dürfte kein Problem sein, zumal sie einen in Wien seltenen 360-Grad-Rundblick bieten. Derzeit beschäftigt die Sans Souci Group gemeinsam mit 6B47 jedoch vor allem der Umbau des Phillips-Gebäudes am Wienerberg. Ebenfalls ein denkmalgeschütztes Objekt. Aus dem 1963 vom Architekten Karl Schwanzer errichteten Bürokom- plex wird eine Wohnanlage mit 135 vollmöblierten Designerwohnungen entstehen. Als Käufer kommen vor allem Investoren infrage, die aufgrund des Denkmalschutzes steuerlich optimieren wollen.
Denkmalschutz als Segen
Häufig schreckt Denkmalschutz potenzielle Käufer ab. Dabei zeigt die Praxis, dass bei einem schönen, alten Gebäude ohne Denkmalschutz das Risiko überraschender Kostenfresser weitaus größer ist. „Bei solchen Objekten besteht die Gefahr, dass sich die Renovierung ab einem gewissen Zustand nicht mehr rechnet“, sagt Immobilienexperte Eggert Koch von der Wiener Realitätenkanzlei Koch. „Nicht selten weichen die alten Häuser dann modernen Eigentumswohnungen.“In bewohnten historischen Häusern, die zum Verkauf stehen, ist es schwierig, den Grad der Renovierungskosten im Vorfeld abzuschätzen. „Dazu müsste man einen Blick ins Mauerwerk und die Fußböden werfen, um festzustellen, ob Feuchtigkeit eingedrungen ist. Das wiederum lassen viele Verkäufer nicht zu.“Der Makler empfiehlt: „Wer historisch wohnen möchte und ein altes Haus kauft, sollte gedanklich immer einen finanziellen Sicherheitspolster für die Sanierung dazurechnen.“Erweisen sich die Restaurierungsmaßnahmen als günstiger, hat man sich ein Schnäppchen geangelt.
Noch besser ist es natürlich, wenn die Sanierung ganz ausfallen kann. Wie etwa bei einer Villa in Kahlenbergdorf im 19. Bezirk, die im Portfolio der Realitätenkanzlei Koch aufscheint. „Der Vorbesitzer hat das genau 1600 erbaute Winzerhaus komplett renoviert. Für den Nachmieter fällt die Unsicherheit weg, welche Summen eine Renovierung verschlingen könnte.“Man muss nur noch einziehen.