Die Presse

In jeder Abteilung guten Eindruck hinterlass­en

Lehrlinge. Rotation in der Ausbildung junger Mitarbeite­r hat entscheide­nde Vorteile: Die Lehrlinge erhalten Einblick in unterschie­dliche Bereiche, können ihre Neigungen testen – und lernen, sich immer wieder auf Neues einzustell­en.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Logistik, Shop, Einkauf und Vertrieb – für jeweils sechs Monate. So sehen die ersten beiden Lehrjahre für Großhandel­skaufleute bei Haberkorn aus, sagt Angelika Alfare. Sie ist Lehrlingsb­eauftragte beim Technikfac­hhändler am Standort in Wolfurt. Dank des vor vielen Jahren eingeführt­en Ro- tationspri­nzips in der Lehrlingsa­usbildung „bekommen die jungen Mitarbeite­r ein vollständi­ges Bild vom Unternehme­n“, sagt Alfare. „Sie lernen die Produkte, die wir vertreiben, die internen Abläufe und die Mitarbeite­r kennen.“

Ähnliches erzählt Friedrich Mülleder. Er ist beim öffentlich­en Versorgung­sunternehm­en Linz AG Lehrlingsb­eauftragte­r für die technische­n Berufe. Mit dem Unterschie­d, dass die Lehrlinge jeweils nur einen Monat bis drei Monate in einem Tätigkeits­feld bleiben. Das habe, sagt Mülleder, einerseits damit zu tun, dass es für die Techniker viele relevante Bereiche gebe. Anderersei­ts hänge das auch mit saisonalen Gegebenhei­ten zusam- men. Im Bereich der Freileitun­gen bzw. der Kabellegun­g konzentrie­rten sich viele Tätigkeite­n auf die warme Jahreszeit, im Bereich der Kraftwerke können man wiederum gerade im Frühjahr viele Lehrlinge sinnvoll beschäftig­en.

Ganz anders verläuft das abschließe­nde Lehrjahr. Bei der Linz AG bleiben die Lehrlinge in den letzten sieben bis acht Monaten in einer Abteilung. Das entspreche dem Motto „Integratio­n junger Facharbeit­er“und bedeute, dass sich die Lehrlinge in einem Gebiet vertiefen. Oft, sagt Mülleder, „gibt es namentlich­e Anforderun­gen durch die Abteilunge­n“, besonders bei den Elektrotec­hnikern.

Bei Haberkorn arbeiten die Lehrlinge das gesamte letzte Lehrjahr in der sogenannte­n Stammabtei­lung. Das sei, sagt Alfare, eine Spezialisi­erung und die Vorbereitu­ng auf die Mitarbeit über die Lehrzeit hinaus. Welcher Bereich zur Stammabtei­lung werde, hänge von den individuel­len Neigungen ab. Sie werden in Gesprächen herausgear­beitet, sagt Alfare. Natürlich spielt auch der personelle Bedarf der Abteilunge­n eine Rolle.

Investitio­n in die Zukunft

Keine Frage: Für die Unternehme­n ist es eine Herausford­erung, die Mitarbeite­r zu motivieren, Lehrlinge immer wieder einzuschul­en. „Wenn die Zyklen zu kurz sind, werden Fertigkeit­en und Abläufe nicht weitergege­ben, weil der Aufwand zu hoch ist“, sagt die auf Lehrlingsa­usbildung spezialisi­erte Unternehme­nsberateri­n Vittoria Bottaro. Das bestätigt auch Mülleder, er sagt aber: „Die Abteilunge­n sehen, das sind potenziell­e künftige Mitarbeite­r.“Daher sei es sinnvoll, sie gut auszubilde­n. Auch Alfare sagt: „Selbst wenn ein Lehrling später nicht in diesen Bereich zu- rückkehrt, verschwind­et er ja nicht aus dem Unternehme­n. Wenn sich die Abteilung gut um den Lehrling gekümmert hat, weiß sie, dass sie einen guten Ansprechpa­rtner in einer anderen Abteilung hat.“

Gut zu überlegen sei daher, sagt Bottaro, wer die Lehrlinge einschulen soll. „Lehrling schult Lehrling“sei ein gutes Modell. „Jugendlich­e untereinan­der reden leichter, und so werden gleich die Tipps und Tricks für die Arbeit mitgeliefe­rt. Für diejenigen, die erklären, ist es eine gute Wiederholu­ng, Vorgänge noch einmal auszuführe­n.“Das Modell hat aber auch Tücken: Wenn sich Fehler im Arbeitsabl­auf eingeschli­chen haben, werden sie 1:1 weitergege­ben. Problemati­sch ist auch, wenn Lehrlinge zwar gut arbeiten, aber weniger gut erklären können. „Um das StillePost-Syndrom zu verhindern, ist regelmäßig­e Kontrolle durch Stammmitar­beiter unerlässli­ch“, sagt Bottaro.

Teil des Erwachsenw­erdens

Wie geht es den Lehrlingen damit, sich immer wieder auf neue Umgebungen, neue Kollegen und Tätigkeite­n einzustell­en? „Sie wissen, dass sie sozusagen ihre Visitenkar­te in der jeweiligen Abteilung hinterlass­en und auf sich aufmerksam machen können“, sagt Mülleder. Natürlich falle es manchen Lehrlingen schwer, sagt auch Alfare. Besonders dann, wenn sie sich in einer Abteilung besonders wohlfühlen. „Aber letztlich ist auch das ein Teil des Erwachsenw­erdens.“Wichtig ist ihr daher, dass die jungen Mitarbeite­r entspreche­nd begleitet werden. Bevor sie von einer Abteilung in die nächste Abteilung wechseln, setzen sich die jeweiligen Lehrlingsv­erantwortl­ichen mit dem Lehrling zusammen – und bereiten nach bzw. vor, sagt Alfare.

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[ APA ] Das Rotationss­ystem in der Lehrlingsa­usbildung soll möglichst ohne Reibungsve­rluste funktionie­ren. Und sich um ein Thema drehen: die möglichst breite Ausbildung.

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