„Selbstwirksamkeit kann man nicht erzwingen“
Inspiration. Niemand, der sich einer Sache mit Hingabe widmet, bleibe auf Dauer unwirksam, sagt der Psychotherapeut, Arzt und Neurowissenschaftler Joachim Bauer. Er eröffnet heuer die Woche der Wirksamkeit im Kardinal-König-Haus.
Die Presse: Woran erkenne ich, dass ich wirksam bin? Joachim Bauer: Selbstwirksamkeit erleben Menschen schon im ersten Lebensjahr, wenn der Säugling merkt, dass seine Aktionen bei Bezugspersonen zu einem Antwortverhalten führen. Die Resonanz, die wir von Mitmenschen erhalten, bleibt lebenslang eine der wichtigsten Quellen erlebter Selbstwirksamkeit. Weitere Möglichkeiten, Selbstwirksamkeit zu erleben, ergeben sich, sobald wir in der Lage sind, mit eigenen Händen – oder durch unseren Geist – etwas zustande zu bringen. Bei Erwachsenen kommt diesbezüglich der Arbeit eine zentrale Rolle zu.
Welche laufenden Überprüfungen muss ich durchführen, um meine Selbstwirksamkeit zu sichern? Wenn man laufende Überprüfungen durchführen muss, ist es um die Selbstwirksamkeit nicht gut bestellt. Das Erleben von Selbstwirksamkeit ist etwas, was man nicht erzwingen kann, sondern was sich von allein einstellt, wenn wir uns voller Hingabe und engagiert mit etwas beschäftigen. Der Gärtner widmet sich voller Leidenschaft seinem Garten und erkennt, dass die Pflanzen plötzlich grünen und Früchte tragen. Wenn er jeden Tag das Wachstum mit dem Zentimetermaß überprüft und dann vielleicht noch an den Pflanzen ein wenig zupft, damit sie schneller wachsen, dann wird er so etwas wie Selbstwirksamkeit nie erleben.
ist Neurowissenschaftler, Arzt, Psychotherapeut, Autor und Professor an der Uniklinik Freiburg/Breisgau. Außerdem lehrt er an der International Psychoanalytic University IPU in Berlin. Joachim Bauer eröffnet mit seinem Vortrag „Über die Wirksamkeit der zwischenmenschlichen Beziehung“am 23. Oktober (19 Uhr) die „Woche der Wirksamkeit“im Wiener Kardinal-KönigHaus: www.wochederwirksamkeit.at Was sind die äußeren Determinanten, die auf meine Wirksamkeit Einfluss haben? Zunächst müssen die nötigen Ressourcen vorhanden sein. Das sind sowohl Menschen, etwa die Mitarbeiter meines Teams, als auch Sachen, also Mittel und Werkzeuge. Auch die Ausbildung ist eine Ressource. Eine weitere wichtige Determinante ist hinreichende Freiheit. Wer wirksam werden will, muss sich entfalten und kreativ sein dürfen. Wer alles bis ins Kleinste vorgeschrieben bekommt, ständig überwacht oder bevormundet wird, kann keine Selbstwirksamkeit entwickeln oder erleben.
Was macht es mit dem Gegenüber, wenn ich wirksam bin? Das hängt davon ab, ob wir das, was mit unseren Mitmenschen passiert, in unser Wirksamkeitserleben einbeziehen. Es gibt Manager, die ihre Wirksamkeit nur noch in der Quartalsbilanz erkennen, und denen egal ist, ob ihre Belegschaft dabei vor die Hunde geht. Nichts gegen gute Quartalsbilan- zen und materiellen Erfolg. Wer seine Wirksamkeit aber nur noch hier entdecken kann, ist elend dran und als Mitmensch gescheitert.
Wie überschneiden sich dann Wirksamkeit und Manipulation? Sie überschneiden sich dort, wo Mitmenschen nur noch Mittel zum Zweck sind. Beispiele dafür sind der Kommunismus, bei dem Menschen einer Ideologie geopfert wurden, oder der entfesselte Kapitalismus, bei dem die Rendite des investierten Kapitals das Einzige ist, was zählt.
Setzt es nicht sehr unter Druck, wirksam sein zu müssen/sollen? Druck gehört zum Leben. Wo zu viel oder nur noch Druck herrscht, wird die Arbeit zur Qual. Für das Erleben von Wirksamkeit ist dann kein Platz mehr, stattdessen herrschen Angst und Depression.
Und wie soll ich mit Unwirksamkeit umgehen? Gelassen! Denn niemand, der sich einer Sache mit Hingabe widmet, bleibt auf Dauer unwirksam. (mhk)