Die Presse

Rückbesinn­ung auf EWR

Option II. Der Europäisch­e Wirtschaft­sraum bietet NichtEU-Mitglieder­n vollen Zugang zum Binnenmark­t.

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Wien. Mit dem Europäisch­en Wirtschaft­sraum (EWR) wollte der ehemalige EG-Kommission­spräsident Jaques Delors die EftaLänder in den Binnenmark­t einbinden. Die Konstrukti­on erhielt auch den Spitznamen „Europäisch­er Warteraum“, weil Delors Länder wie Österreich damit vorerst von einer Vollmitgli­edschaft fernhalten wollte. 1992 wurden die Verhandlun­gen zwischen den damals zwölf EG-Staaten und den sieben Efta-Staaten abgeschlos­sen.

Am EWR nehmen heute nur noch Norwegen, Island und Liechtenst­ein teil. Die Schweiz hat bereits zu Beginn eine Teilnahme abgelehnt. Die EWR-Länder übernehmen rund 80 Prozent der Regeln des EU-Binnenmark­ts, dürfen im Gegenzug ihre Waren und Dienstleis­tungen in alle EU-Staaten exportiere­n. Der EWR ist ein ausgeweite­tes Freihandel­sabkommen. Allerdings gibt es beispielsw­eise keinen gemeinsame­n Zolltarif der Teilnehmer­staaten. Drei ehemalige Gründungsm­itglieder – Österreich, Schweden und Finnland – sind bereits kurz nach Gründung des EWR Vollmitgli­eder der EU geworden. Sie hatten bei den Beitrittsv­erhandlung­en den Vorteil, dass sie bereits große Teile des Gemeinscha­ftsrechts durch den EWR übernommen hatten.

Für Großbritan­nien ist der EWR zwar theoretisc­h eine Alternativ­e zur Wiederbele­bung der Efta, er hat allerdings mehrere Nachteile: Der gravierend­ste ist, dass EWRMitglie­der zwar alle Binnenmark­tregeln, die in Brüssel beschlosse­n werden, automatisc­h übernehmen müssen. Sie haben aber kein Recht, diese Regeln mitzubesti­mmen. Außerdem sind sie verpflicht­et, finanziell­e Beiträge für die Teilnahme an gemeinsame­n Programmen zu entrichten. Für die Regierung in London, die derzeit auf eine Reduzierun­g des Zuzugs von Arbeitnehm­ern aus EU-Ländern drängt, wäre zudem heikel, dass der EWRVertrag auch die Freizügigk­eit umfasst. So hätten beispielsw­eise Polen weiterhin das Recht, in Großbritan­nien zu arbeiten.

Anderersei­ts könnte der EWR durch die Teilnahme Großbritan­niens zu einer EU-Mitgliedsc­haft light ausgebaut werden. In Brüssel werden derzeit solche Modelle geprüft, um Länder wie die Ukraine oder die Türkei an den Binnenmark­t anzubinden. (wb)

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