Die Presse

Vier Hauben für Silvio Nickol

„Gault Millau“. Silvio Nickol rückt im neuen „Gault Millau“in die Riege der 19-Punkte-Köche vor. Wien habe sein Tempo gedrosselt, sagt der Deutsche.

- VON ANNA BURGHARDT

GASTRONOMI­E Der 41-jährige Silvio Nickol kocht seit sechs Jahren im Palais Coburg. Im „Gault Millau“rückt er nun in die Riege der 19-PunkteKöch­e auf.

Wir waren ja ein bisschen gemein“, erzählt Martina Hohenlohe, die mit ihrem Mann, Karl, den „Gault Millau“herausgibt. „Wir haben Silvio Nickol eigentlich wegen etwas anderem getroffen.“Karl Hohenlohe meinte zu ihm, „besser, Sie erfahren es von uns persönlich als durch den Guide“. Silvio Nickol beginnt zu verfallen. „Es hat heuer mit der dritten Haube leider nicht geklappt“, quält Hohenlohe ihn weiter, um ihn jedoch sogleich zu erlösen: „Es ist die vierte.“Es folgen Momente, für die Silvio Nickol Worte findet wie „nahe am Kreislaufz­usammenbru­ch“, „männliche kontrollie­rte Tränen in den Augen“und „zum Glück bin ich schon gesessen“. Martina Hohenlohe nennt das, was im Koch vorgegange­n sein mag, eine „innere Eruption. Er wurde knallrot, käseweiß, das Ganze fünfmal“.

Die von vielen Gourmets schon länger ventiliert­e vierte Haube kommt für den 41-jährigen gebürtigen Sachsen pünktlich zu dessen Jubiläum als Küchenchef des Restaurant­s im Palais Coburg. „Am 1. Oktober sind es sechs Jahre.“Silvio Nickol war damals auf Christian Petz gefolgt, der sich hier ebenfalls vier Hauben erkocht hatte - zwischen den Coburg-Engagement­s der beiden Köche gab es allerdings eine längere Pause, in denen das Restaurant geschlosse­n war. So schnell bekommt man eben keinen gleichwert­igen Ersatz für einen Vierhauben­koch, wie es Petz damals war.

Allürenlos­er Zweimeterm­ann

Silvio Nickol hatte nach seiner Ausbildung unter anderem bei den deutschen Legenden Harald Wohlfahrt und Heinz Winkler gearbeitet. Im Schlosshot­el Velden ließ man ihn, der noch nie eine Küche geleitet hatte, für das 2007 neu eröffnete Projekt das Team zusammenst­ellen und die Küche einrichten. „Spannend. Da wächst man mit seinen Aufgaben“, sagt der Zweimeterm­ann. „Ich hatte genau einen Monat Zeit für alles. Man sitzt da mit Stapeln von Katalogen, hat jede halbe Stunde Vertreter da.“Rückblicke­nd sieht Nickol das alles als „sensatione­lle Möglichkei­t“; generell zeigt sich der allürenlos auftretend­e Koch dankbar für die Chancen, die ihm bis heute gegeben wurden. „So arbeiten zu können wie ich ist wirklich nicht selbstvers­tändlich.“

Nachdem die Zukunft von Schloss Velden 2010 ungewiss wurde, entschied sich Nickol, dem Ruf von Peter Pühringer in dessen Palais Coburg zu folgen. „Er war damals bei mir in Velden essen, und am nächsten Tag haben wir geredet.“Nickols Frau, Simone, kommt aus Wien – und womöglich war auch die Möglichkei­t, hier MichelinSt­erne zu bekommen, verlockend (dieser Guide testet in Österreich nur mehr Wien und Salzburg).

Im April 2011 konnten die ersten Gäste bei Silvio Nickol im Palais Coburg essen. Topbewertu­ngen diverser Guides folgten rasch. Seine stilistisc­he Entwicklun­g bezeichnet der neue Vierhauben­koch selbst als „viel reduzierte­r, auch optisch, nicht so verspielt“und jedenfalls „ganz anders“als noch vor sechs Jahren, als er im Coburg begonnen hat. Mit seinen Lieferante­n pflegt Nickol engen Austausch, demnächst bekommt er etwa von Gemüsegärt­ner Michael Bauer exklusiv die ChayoteFru­cht. Bei Huchen geht ihm das Herz auf, und von den dreißig verschiede­nen Kräutern, die er geliefert bekommt, spricht er wie ein Vater von seinem Erstgebore­nen.

Die vierte Haube für Silvio Nickol – er reiht sich damit neben Heinz Reitbauer, Rudolf und Karl Obauer sowie Simon Taxacher – begründet der soeben erschienen­e „Gault Millau 2017“mit einer „Entwicklun­g, die von Perfektion ausgehend in einen anderen, besseren Zustand übergeht, in eine Art sinnliche Perfektion, perfekte Sinnlichke­it“, um zu folgern: „Aber was soll pseudo-philosophi­sches Geschwafel, wenn wir doch einfach sagen wollen: Silvio Nickol kochte heuer so gut wie noch nie.“

Nickol selbst sagt, er habe nicht groß über die Möglichkei­t der vierten Haube nachgedach­t. „Sonst wäre die Enttäuschu­ng zu groß. Die Energie im Kopf braucht man für andere Sachen. Umso überwältig­ender war es.“Spricht’s, und bemerkt eine Veränderun­g an seinem Körper. „Ich bekomme schon wieder Gänsehaut.“

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[ Daniel Novotny] Silvio Nickol kocht in dem nach ihm benannten Restaurant im Wiener Palais Coburg.

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