Die Presse

„Wollen Sie das Heer abschaffen?“

Heer. Das Sicherheit­spaket garantiert dem Ressort Hans Peter Doskozils (SPÖ) mehr Macht: Die Truppe wird im Inland aktiv, der Minister hat den Abschussbe­fehl und bekommt mehr Personal.

- VON IRIS BONAVIDA

INTERVIEW Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil skizziert im „Presse“-Interview, wie das Heer mit mehr Kompetenze­n umgehen will.

Die Presse: Das neue Sicherheit­spaket der Regierung sieht vor, dass das Heer Aufgaben der Polizei übernimmt – wie den Objektschu­tz. Soll sich dieser Trend in Zukunft weiter fortsetzen? Hans Peter Doskozil: Jedes Ministeriu­m muss für sich überlegen: Welche neuen Entwicklun­gen gibt es, welchen Bedarf? Man muss sich immer wieder neu definieren, die Gefahrenla­ge neu abschätzen. Wenn man das nicht tut, gibt es einen Rückschrit­t.

Der Grüne Peter Pilz wirft Ihnen allerdings vor, ein militärisc­hes Innenminis­terium zu planen. Hier wurde auch kritisiert, dass wir schweres, gepanzerte­s Gerät haben. Die Kernaufgab­e des Heeres ist noch immer die Landesvert­eidigung. Wenn ich diese kritischen Stimmen höre, frage ich mich: Wie sollen wir das bewerkstel­ligen, mit Spritzpist­olen? Wollen sie das Heer abschaffen?

Vor allem wollen sie wohl eine striktere Trennung zwischen Heer und Polizei. Im Sicherheit­spaket ist festgelegt: Wir wollen die neuen Aufgaben verfassung­srechtlich verankern. Das ist eine Verbesseru­ng des Status quo: Während des Assistenze­insatzes im Burgenland haben 21 Jahre lang Polizisten und Soldaten unter einer Führung gearbeitet – des Innenminis­teriums. Jetzt wird klar getrennt.

Aber das Heer kann im Inland von sich aus aktiv werden, was Kritiker bemängeln. Auch beim Schutz kritischer Infrastruk­tur. Beim Objektschu­tz wird hauptsächl­ich die Miliz eingesetzt – also Soldaten, die einen zivilen Hauptberuf haben, fest verankert in der Gesellscha­ft sind. Schon jetzt bewachen wir Botschafte­n im Assistenze­insatz. Der Status quo bleibt also, wir gießen ihn nur in Verfassung­srecht.

Derzeit bewachen die Soldaten 24 Objekte, das soll ausgebaut werden. Was wird das kosten? Wir haben klar gesagt, dass wir für die neuen Aufgaben kein zusätzlich­es Budget brauchen werden.

Aber wenn mehr Soldaten mehr Stunden machen, wird es auch mehr kosten. Wie viel ungefähr? Diese Kosten sind im Budget abgebildet. Das strukturel­le Budget wächst, wir werden sie abdecken.

Die Nachrichte­ndienste von Polizei und Heer sollen gestärkt werden. Was bedeutet das im Detail? Das Heeresnach­richtenamt analysiert die Lage im Ausland, auch im Bereich Terror und Migration. Es ist wichtig, dass das Personal ein hohes Know-how und eine Spezialaus­bildung hat. Es wird zum Teil auch zusätzlich­e Stellen geben.

In welchem Ausmaß? Es ist Praxis, über Details zum Heeresnach­richtenamt im ständigen Unteraussc­huss im Parlament zu berichten. Das bedeutet? Der Leiter wird einen Vorschlag unterbreit­en. Noch werden die Detailplän­e erarbeitet.

Im Bereich der Luftraumüb­erwachung wollen Sie im Ernstfall mit der Schweiz kooperiere­n. Ja, die sogenannte Nacheile ist in Europa Usus. Wenn man die aktive Luftraumüb­erwachung (mit Abfangjäge­rn, Anm.) ernst meint, muss man die derzeitige­n Lücken bei der Überwachun­g schließen.

Soll künftig beim Gerät – den Abfangjets – kooperiert werden? Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir im logistisch­en Bereich – also der Betreibung der Werft – mit einem anderen Staat kooperiere­n.

Braucht man für eine gemeinsame Wartung nicht sinnvoller­weise auch gemeinsame­s Gerät? Das muss nicht sein. Eine Kooperatio­n ist allgemein ein Weg in der Zukunft, um in einem kosteninte­nsiven Bereich effiziente­r zu sein.

Auch bei der Gefahrenab­wehr im Luftraum soll das Heer mehr Verantwort­ung übernehmen. Rechtlich war das eine tief greifende Diskussion. Wenn es eine Gefahrensi­tuation im Luftraum gibt, ist es derzeit schwierig zu entscheide­n, welches Ministeriu­m zuständig ist. Das soll sich ändern.

Wenn also ein Flieger im Worst Case abgeschoss­en werden soll, muss derzeit unter Umständen der Innenminis­ter das Kommando geben. In Zukunft Sie? Korrekt.

Bisher gab es erst einen Abschiebef­lug mit der Hercules. Warum? Den ersten Flug haben wir auch durchgefüh­rt, um Abläufe zu klären. Die meisten Abschiebun­gen finden derzeit in sogenannte Dublin-Länder der EU statt. Die Hercules-Maschine ist prädestini­ert dafür, Ziele außerhalb Europas anzusteuer­n.

Es wird aber in der Zwischenze­it Abschiebun­gen auch außerhalb Europas gegeben haben? Der überwiegen­de Teil der Rückführun­gen geschieht in EU-Länder. Der erste Flug mit der Hercules war auch eine Dublin-Rückführun­g. Warum also nicht weitere? Wir bieten dem Innenresso­rt das Fluggerät an. Ich fände es zielführen­d, es für längere Distanzen, wie Marokko, einzusetze­n.

Ist es nicht eher so, dass sich die Flüge nicht auszahlen und es ein Signal an die Bevölkerun­g war? Nein, die EU-Grenzschut­zagentur Frontex publiziert Kosten für Charterflü­ge auf ihrer Website. Hier sieht man klar, wie hoch diese sind.

Warum ist das Innenminis­terium dann so vorsichtig und kritisch? Es hat eben den ersten Flug gebraucht, um die Abläufe zu klären. Ich bin dafür, dass wir künftig weitere Rückführun­gsflüge mit der Hercules übernehmen.

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[ Daniel Novotny ] Kooperatio­n mit der Schweiz: Heereschef Hans Peter Doskozil (SPÖ).

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