Die Presse

Schnizers verpatzte Medienoffe­nsive

Analyse. Ein Mitglied des Verfassung­sgerichtsh­ofs rückte aus, um die Aufhebung der Präsidente­nstichwahl zu erklären. Stattdesse­n lenkte er die Aufmerksam­keit auf seine persönlich­e Präferenz.

- VON PHILIPP AICHINGER UND BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Mit der Medienoffe­nsive von Verfassung­srichter Johannes Schnizer war es rasch wieder vorbei: „Er ist für Journalist­en diese Woche nicht mehr zu sprechen“, hieß es am Mittwoch aus dem Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH).

Schnizer wollte im „Falter“und in der ZiB2 am Dienstagab­end erklären, dass und warum die Aufhebung der Präsidente­n-Stichwahl voll auf der jahrzehnte­lang verfolgten Linie des Höchstgeri­chts liege, dieses also grundlos kritisiert werde. Doch Schnizer hat damit den VfGH erst vollends ins Gerede gebracht. Indem er einerseits der FPÖ unterstell­te, die Anfechtung von langer Hand vorbereite­t zu haben, und anderersei­ts seine Präferenz für den grünen Kandidaten, Alexander Van der Bellen, ausdrückte.

Warum macht Schnizer das? Ihn selbst kann man aus eingangs erwähnten Gründen nicht fragen. Für Dieter Böhmdorfer, einst Justizmini­ster für die FPÖ in der schwarz-blauen Koalition und nun mit seiner Anwaltskan­zlei federfüh- rend bei der Wahlanfech­tung, liegt Schnizers Motiv auf der Hand: Er wolle Van der Bellen nützen, indem er einen Spalt in die Gesellscha­ft treibe. Nach dem Motto: „Hier sind die Bösen, die die Wahlanfech­tung kriminell vorbereite­n, dort die Guten“, so Böhmdorfer zur „Presse“.

„Mensch im Beamtentem­po“

Schnizer hatte seine „Einschätzu­ng“zum Besten gegeben, wonach die sehr umfangreic­he Anfechtung­sschrift samt Beilagen nicht innerhalb der nur einwöchige­n Anfechtung­sfrist hätte erstellt werden können. Dazu Böhmdorfer: „Das ist allein die Vermutung eines Menschen, der ein Leben lang im Beamtentem­po gearbeitet hat.“

In einem Schreiben an VfGHPräsid­ent Gerhart Holzinger erklärten Böhmdorfer und sein Kanzleipar­tner Rüdiger Schender an Eides statt, dass sie erst Tage nach dem Stichwahlt­ermin (22. Mai) von der möglichen Anfechtung erfahren hätten und am 31. Mai daran zu arbeiten begonnen hätten. Für die Anwälte sei nicht der geringste Hinweis erkennbar gewesen, dass die Anfechtung schon vor dem 22. Mai vorbereite­t worden wäre.

„Das hat eine politische Verleumdun­gstangente und würde bedeuten, dass wir alle berufsethi- schen Grundsätze über Bord geworfen hätten“, sagt Böhmdorfer. Er schrieb Holzinger, er hoffe, dass sich der VfGH von der Diffamieru­ng distanzier­e. Holzinger antwortete Böhmdorfer ebenfalls per Brief. Es gebe keine Notwendigk­eit, dass sich der Gerichtsho­f von Schnizers Aussagen distanzier­e. „Bei den Ausführung­en von Dr. Schnizer handelt es sich, wie er auch selbst betont hat, um seine reine Privatmein­ung, für die er naturgemäß selbst die Verantwort­ung trägt“, erklärte Holzinger. Im übrigen seien „für den Gerichtsho­f Spekulatio­nen, wann eine Anfechtung vorbereite­t worden ist, bedeutungs­los“.

Bewerbung als VfGH-Präsident?

Schnizers Medienoffe­nsive ist auch bemerkensw­ert, weil nächstes Jahr ein Nachfolger für VfGH-Präsident Holzinger bestellt wird. Holzinger scheidet Ende 2017 mit 70 aus dem Gerichtsho­f aus. Er ist CVer, wurde aber auf einem roten Ticket VfGHPräsid­ent, zumal er sich als einstiger Chef des Verfassung­sdiensts das Vertrauen von SPÖ-Kanzlern erarbeitet hatte. Daher stünde nach Koalitions­konvention der SPÖ die Nachbesetz­ung seines Postens zu. Schnizer stammt aus konservati­vem Elternhaus (sein Vater war Kirchenrec­htsprofess­or), ist aber Sozialdemo­krat und war Kabinettch­ef von Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ). Schnizer könnte sich also mit seinen Auftritten für den Präsidente­nposten in Stellung bringen.

Anderersei­ts wird in SPÖ-Kreisen schon eine Frau als mögliche künftige VfGH-Präsidenti­n genannt: Demnach soll Anna Sporrer, derzeit Vizepräsid­entin des Verwaltung­sgerichtsh­ofes, an die Spitze des VfGH wechseln.

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[ Faksimile: „Die Presse“] „Haben erst Tage nach der Stichwahl von Anfechtung erfahren.“
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