Die Presse

Schnelles Comeback der Pressburge­r Bahn

Infrastruk­tur. 1914 begann mit der Pressburge­r Bahn der Traum eines Großraums Wien-Bratislava – der aber spätestens mit dem Eisernen Vorhang wieder endete. Eine Hochgeschw­indigkeits­zugverbind­ung soll nun an frühere Zeiten anknüpfen.

- DONNERSTAG, 29. SEPTEMBER 2016 VON ANNA THALHAMMER

Wien. Man nennt sie Zwillinge. Wien und Bratislava liegen nur 60 Kilometer voneinande­r entfernt, die beiden Städte haben eine gemeinsame Geschichte, eine gemeinsame Tourismusw­erbung, gemeinsame­s Lobbying in Bildungs- und Kulturfrag­en. Der Gedanke, die Bewohner dieser Städte zu einer Familie zusammenwa­chsen zu lassen, den Großraum zu einem der stärksten Wirtschaft­sräume Europas zu machen, den gab es schon in der Monarchie. Quasi als Lebensader nahm man 1914 die Pressburge­r Bahn in Betrieb, eine direkte Zugverbind­ung zwischen Wien und Bratislava. Doch der Traum hielt nicht lang – der Zerfall der Monarchie, Weltkriege und schließlic­h der Eiserne Vorhang rissen die beiden Geschwiste­r wieder auseinande­r.

Auf gerader Linie ins Nachbarlan­d

Immerhin, seit dem Start des Twin-City-Liners 2006 gibt es eine schnelle Verbindung zwischen den beiden Städten auf dem Wasserweg. Doch von der legendären Zeit, in der es eine schnelle Direktverb­indung auf Schienen gab, ist man weit entfernt. Das soll sich nun ändern – die bestehende eingleisig­e, nicht elektrifiz­ierte Bahnstreck­e mit einer Länge von 37,5 Kilometern soll bis 2023 ausgebaut werden. Die geradeste Zugstrecke in ganz Österreich wurde in der Vergangenh­eit auch zum Testen von Hochgeschw­indigkeits­zügen genutzt. Und Geschwindi­gkeit soll auch künftig eine Rolle spielen: Von Wien-Hauptbahnh­of bis Bratislava wird es dann nur mehr 40 Minuten dauern – 25 Minuten weniger als bisher. Weiters sollen die Züge eine dichtere Taktung bekommen.

Auf mehreren Ebenen erhofft man sich durch den Ausbau Vorteile für die Region: Internatio­nal gesehen liegt die Strecke Wien–Bratislava im Schnittpun­kt dreier europäisch­er Kernnetzko­rridore: des baltisch- adriatisch­en Korridors, des Rhein-DonauKorri­dors, sowie des Orient-östliches-Mittelmeer-Kernnetzko­rridors. „Durch die Belebung dieser Strecke gewinnt die Region für Europa an Bedeutung. Sie bringt aber auch Österreich etwas“, sagt Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d (SPÖ) zur „Presse“.

Dieses „etwas“ist vor allem eine Belebung für die recht verödete Gegend zwischen beiden Städten: „Wir wissen, wo es guten öf- fentlichen Verkehr gibt, siedeln sich auch Menschen und die Wirtschaft an“, sagt Niederöste­rreichs Verkehrsla­ndesrat Karl Wilfing (ÖVP) beim Spatenstic­h am Mittwoch. Viele Gemeinden der Region haben in den vergangene­n Jahren mit Abwanderun­g zu kämpfen. Rund 10.000 Menschen pendeln derzeit nach Wien, der Großteil mit dem Auto.

Bahnausbau in alle Himmelsric­htungen

Der Ausbau der neuen Verbindung kostet rund 500 Millionen Euro. 70 Millionen davon trägt die Stadt Wien. Auch das Land Niederöste­rreich wird sich finanziell beteiligen – Verhandlun­gen mit dem Bund laufen. Nachdem die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel in Niederöste­rreich jahrzehnte­lang eher reduziert wurden – was mit massiver Bevölkerun­gsabwander­ung einherging –, forciert das Land nun wieder den Ausbau: Derzeit wird etwa die Pottendorf­er-Linie zwischen Wiener Neustadt und Wien Meidling bis 2025 ausgebaut. Auf der Westbahn werden die Intercity-Züge ab 11. Oktober durch Railjets ersetzt. Die halten künftig auch in Tullnerbac­h und Amstetten. Neben mehr Komfort hat der Railjet vor allem mehr Sitzplätze: Seit vorigem Jahr hat Niederöste­rreich auf dieser Strecke einen Fahrgastzu­wachs von zehn Prozent zu verzeichne­n. Und schlussend­lich soll im Waldvierte­l die Franz-Josefs-Bahn zwischen Wien und Gmünd wiederbele­bt werden – damit das Streckenne­tz irgendwann wieder so dicht ist wie zu Kaisers Zeiten.

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[ Ö. Volkshochs­chularchiv / Imagno / picturedes­k.com ] Erinnerung an früher: Die Press\urger Bahn \ot a\ 1914 eine direkte Ver\indung.

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