„Der Kassettenrekorder war meine Universität“
Kulturelles Erbe. Der Gitarrist Harri Stojka ist weit mehr als nur ein Musiker der vielen Stile. Er schreibt Mundartgedichte und engagiert sich politisch.
Wien. „Mein Vater hat mir eine Plastikgitarre geschenkt und gesagt, ich soll üben, bis mir die Finger rauchen. Das tat ich. Nichts passierte. Irgendwann ging ich dann weinend zu ihm und beklagte mich, weil nichts aufstieg. Da war ich sieben Jahre alt.“Dass sich der 1957 in Wien geborene Gitarrist Harri Stojka dafür entschied, auch ohne Rauch weiterzuüben, hat sich letztlich gelohnt.
„Der Kassettenrekorder war meine Universität. Darauf hab ich die Soli von meinen Vorbildern aufgenommen und nachgespielt. Aus all den Schnipseln von Tal Farlow, Pat Martino, George Benson und Joe Pass wurde irgendwann mein ganz eigener Stil. Schulen hab ich immer gemieden. Sagen lassen hab ich mir nur etwas von meinem Cousin Karl Ratzer. Bei ihm habe ich ein Jahr gelernt. Bei uns Roma war der Karl schon in den Sechzigerjahren eine Legende. Er war der Erste von uns, der ins Fernsehen kam.“
Das spornte Stojka an. Bereits im Alter von 13 Jahren gab er im Wiener Volksgarten sein erstes öffentliches Konzert. Danach ging es Schlag auf Schlag. Nach seiner Formation Jano + Harri Stojka stieg er bei Karl Ratzers Gipsy Love ein. Seine Vorbilder waren gut gewählt: Jimi Hendrix, die Beatles, später das Mahavishnu Orchestra und Chick Coreas Fusionband Return To For- ever. Trotz aller jazzigen und weltmusikalischen Ambitionen war sich Stojka nie zu schade, auch Rock zu spielen. Als Mitglied von Novaks Kapelle (ab 1977) schrieb er Austropopgeschichte mit. 1973 gründete er seinen Harri Stojka Express.
Die Kunde vom hiesigen Gypsy-Gitarristen mit Fusiontalent drang bis zum großen Frank Zappa vor. Ein Angebot, in dessen Band einzusteigen, gab es. „Der Zappa war ein guter Freund meiner Familie. Er ist auf die Roma gestanden. Ich hätte tatsächlich 1977 eine Audition für ihn spielen sollen. Ich bin dann aber doch nicht nach Amerika geflogen, obwohl ich das Visum dafür schon im Reisepass hatte. Weil der Papa gesagt hat: ,Nix, du fahrst ned zu den Cowboys und Indianern‘, bin ich dann doch hier geblieben. Mir war’s recht, ich hab eh a Angst g’habt.“
Gypsy und Fusion, Rock und Pop
1980 gelang mit dem ursprünglich als Jux gedachten „Bau no wos au“ein Austropopklassiker. „Im Radio haben sie es damals so gut wie nie gespielt. Trotzdem hab ich 10.000 Alben verkauft.“Harri Stojka glänzt seit Jahrzehnten durch seine musikalische Offenheit. Im Lauf der Jahre spielte er Bebop und Brasil, Gypsy Soul und Fusion, Rock und Pop. Darüber hinaus engagiert sich Stojka auch politisch. Er hat etwa die aufsehenerregende Aktion „Ich bin gegen das Wort Zigeuner und für das Wort Roma“ins Leben gerufen. 2011 reiste er gemeinsam mit Mosa Sisic nach Indien auf der Suche seinen Wurzeln. Der dabei entstandene Dokumentarfilm „Gypsy Spirit, Harri Stojka – eine Reise“(Regie: Klaus Hundsbichler) wurde mehrfach ausgezeichnet. Auch mit seinem aktuellen Projekt „A guada Tog oder a zprackter braucht kaan Karakta“, einem von Walter Schmögner illustrierten Band mit Mundartgedichten aus eigener Feder, überrascht er.