Privatstiftungen und Pflichtteilsrecht
Stiftungsurkunden und geplante Zuwendungen an Privatstiftungen sollten rechtzeitig professionell geprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden, um im Erbfall unliebsamen Überraschungen vorzubeugen. Zudem sollte bei geplanter dauerhafter Verlegung des Lebensmittelpunkts ins Ausland rechtzeitig Bedacht auf das zur Anwendung kommende Erbrecht genommen werden..
Die Bedeutung und Tragweite von Entscheidungen in Erbrechtsfragen ist weitreichend. Die Weitergabe von Vermögenswerten an die nächste Generation kann etwa bei der Unternehmensnachfolge zur heiklen Angelegenheit werden, wenn „der Kuchen nicht für alle reicht“. Falls das Unternehmen den überwiegenden Teil des Vermögens darstellt, können Pflichtteilsansprüche nicht bedachter Erben eine finanzielle Hürde darstellen und im äußersten Fall die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens gefährden. Häufig haben Österreicher daher vorausschauend ihr Vermögen schon zu Lebzeiten zumindest teilweise einer Privatstiftung gewidmet.
Für den Erbfall zu beachten sind nun Neuerungen zur Hinzurechnung und Anrechnung von Schenkungen des Verstorbenen, die bei der Ausmittlung der Pflichtteilsquoten zu veranschlagen sind. Die hier relevanten Regelungen des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015 werden auf Todesfälle nach dem 31. Dezember 2016 anzuwenden sein.
Der neue § 756 ABGB definiert den Pflichtteil als „Anteil am Wert des Vermögens des Verstorbenen“, der bestimmten Angehörigen zukommen soll. Pflichtteilsberechtigt sind nach der neuen Rechtslage die Nachkommen, der Ehegatte bzw. eingetragene Partner des Verstorbenen. Unverändert bleibt die Pflichtteilsquote in der Höhe der Hälfte dessen, was nach der gesetzlichen Erbfolge zustünde. Aus Sicht des Erblassers bedeutet das Pflichtteilsrecht eine Einschränkung der Möglichkeit, über das Schicksal des eigenen Vermögens von Todes wegen zu verfügen.
Schenkungen, die ein Pflichtteilsberechtigter oder auch ein Dritter vom Verstorbenen zu Lebzeiten oder auf den Todesfall erhalten haben, sind unter bestimmten Voraussetzungen der Verlassenschaft hinzuzurechnen bzw. auf den Pflichtteil anzurechnen.
Der Privatstiftung werden im neuen Anrechnungsrecht explizit drei Regelungen gewidmet: Als Schenkungen zu Lebzeiten hinzu- und anrechenbar sind Vermögenswidmungen an eine Privatstiftung und die Einräumung der Stellung als Begünstigter einer Privatstiftung, der der Verstorbene Vermögen gewidmet hat. Darüber hinaus gelten auch Ausschüttungen aus einer dem Erblasser zurechenbaren Privatstiftung, die erst nach dem Erbfall erfolgen, als Anrechnungsposten. Damit können künftig sämtliche Zuwendungen an den pflichtteilsberechtigten Begünstigten aus dem Stiftungsvermögen unbefristet hinzu- bzw angerechnet werden. Es ist zu erwarten, dass es mitunter problematisch sein wird, den Wert künftiger Zuwendungen zu schätzen.
Über Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten oder eines Erben sind Schenkungen, die der Verstorbene zu Lebzeiten gemacht hat, bei der Berechnung der Verlassenschaft hinzuzurechnen. Es gilt künftig der Wert der Zuwendung zum Schenkungszeitpunkt, angepasst um den Verbraucherpreisindex bei Erbfall. Die Stiftung ist keine pflichtteilsberechtigte Person, weshalb nur Vermögenswidmungen an die Privatstiftung, die innerhalb der vergangenen zwei Jahre vor dem Tod vorgenommen werden, anrechenbar sind. Der Lauf der Frist beginnt mit der „Er- bringung des Vermögensopfers“, bei Widerrufs- bzw Änderungsvorbehalten des Stifters daher erst mit dem Todeszeitpunkt oder mit einem Verzicht auf derartige Vorbehalte und einer entsprechenden Änderung der Stiftungsurkunde. Reicht der Nachlass zur Deckung des Pflichtteils nicht aus, kann der verkürzte Pflichtteilsberechtigte die Zahlung des Fehlbetrages vom Geschenknehmer verlangen. In diesem Fall haftet also die Privatstiftung unter Umständen für Pflichtteils(ergänzungs) ansprüche, was den Stiftungsvorstand vor besondere Herausforderungen stellt.
Zu beachten ist die seit 17. August 2015 gültige EU-Erbrechtsverordnung. Danach knüpft das anzuwendende Erbrecht – unabhängig von der Staatsangehörigkeit – an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Verstorbenen an. Soll bei einer dauerhaften Verlegung des Lebensmittelpunkts eines Österreichers ins Ausland die Anwendung österreichischen Erbrechts sichergestellt werden, kann dies nur durch eine letztwillig verfügte Rechtswahl geschehen.
Vermögens- und Erbschaftsplanung richtet sich nach den Familienverhältnissen, der Struktur und Höhe des Vermögens sowie der weiteren Lebensplanung der Betroffenen. Sie betrifft nicht nur rechtliche und steuerliche Fragen, sondern auch wirtschaftliche und soziale Komponenten, auf die Bedacht zu nehmen ist.