Frauen erfolgreich in Schiedsgerichten
Dass ein Thema wie Gleichverteilung der Geschlechter auch bei Schiedsgerichtbarkeit wesentlich sein kann, erklären zwei Expertinnen im Gespräch.
Welche Rolle spielt Gender Diversity in der Schiedsgerichtsbarkeit?
Folgt man jüngeren Untersuchungen, so zeigt sich, dass der Frauenanteil unter Schiedsrichtern seit 2006 gestiegen ist, jedoch lediglich auf circa zehn Prozent. Schiedsrichterinnen werden – wenn überhaupt – eher von Schiedsinstitutionen bestellt. Schiedsparteien benennen demgegenüber kaum Schiedsrichterinnen. Der geringe Frauenanteil der von Chambers and Partners geführten „Most in demand arbitrators“-Liste ist wohl der offensichtliche Beweis für einen Gender Gap bei der Schiedsrichterwahl. Im Jahr 2015 waren nur zwei Schiedsrichterinnen unter den 35 meistnachgefragten Schiedsrichtern gelistet, das entspricht sechs Prozent. Das aktuelle, globale Chambers Ranking vom März 2016 zeigt eine Verbesserung zum Vorjahr und verzeichnet einen Anstieg des Frauenanteils auf 18 Prozent.
Entspricht das der österreichischen Situation? Leider ja – es werden auch in Österreich kaum Schiedsrichterinnen bestellt. In Schiedsverfahren des Internationalen Schiedsgerichtszentrums der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC) beschränkte sich der Schiedsrichterinnenanteil im Jahr 2015 auf 15,8 Prozent, im Vergleich dazu 11,4 Prozent in ICC-Schiedsverfahren. Österreich spiegelt die internationale Bestellungspraxis wider, das heißt, Schiedsrichterinnen werden in der Regel nicht von Parteien oder Mitschiedsrichtern benannt, sondern überwiegend von Schiedsinstitutionen. In der von Chambers für Österreich erstellten Liste der meistnachgefragten Schiedsrichter ist keine einzige Frau angeführt. Dabei führt die VIAC eine „Liste von Praktikern in internationaler Schiedsgerichtsbarkeit“auf ihrer Website, in der einige Frauen eingetragen sind.
Warum und wie würde die Schiedspraxis von einem höheren Frauenanteil profitieren?
Die Tatsache, dass Information betreffend die Zusammensetzung von Schiedsgerichten verstärkt öffentlich zugänglich ist, hat das Problembewusstsein geschärft. Es wird kritisiert, dass in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Schiedsrichter seien. Die Herausforderung besteht darin, überhaupt einen Zugang zu dem etablierten Schiedsrichterkreis zu ermöglichen. Es wäre begrüßenswert, wenn Rechtsvertreter ihren Mandanten neben Schiedsrichtern auch gleich qualifizierte Frauen als mögliche Schiedsrichterkandidatinnen vorschlagen. Erfahrungsgemäß bestehen einige Mandanten bereits darauf, dass Frauen als Schiedsrichterkandidatinnen in die engere Auswahl kommen. Dies scheint aber eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Bekommen Frauen in Zukunft vermehrt die Möglichkeit, Schiedsrichtertätigkeit auszuüben, erhöht sich die Chance auf eine ausgewogenere Entscheidungsfindung. Studien belegen, dass durch Geschlechterausgewogenheit in Führungspositionen die Eigenkapitalrendite steigt und deutliche Kurs- steigerungen erzielt werden. Diese Win-win-Situation aus dem Unternehmensbereich würde man auch gern bei Schiedsgerichten sehen.
Welche Maßnahmen zur Förderung des Frauenanteils wurden bereits ergriffen?
Zwei der weltweit profiliertesten Schiedsrechtsexpertinnen, Sylvia Noury und Wendy Miles QC, starteten eine weltweite Initiative, um den Frauenanteil in der Schiedsgerichtsbarkeit zu erhöhen. Daraus ist der sogenannte Pledge entstanden. Es handelt sich dabei um einen Katalog von Absichtserklärungen, der darauf abzielt, in Zukunft die Bestellung von Schiedsrichterinnen und die weibliche Be- setzung von Komitees und Panels zu fördern. Von einer festen Frauenquoten sieht der Pledge jedoch ab. Vielmehr verfolgt dieser das Ziel, Aufmerksamkeit bei namhaften, erfahrenen Schiedsrichtern herauszubilden. Als Mentoren oder Sponsoren können sie am Karrierebeginn stehende weibliche Kolleginnen wohl am effizientesten unterstützen. Seit der offiziellen Bekanntmachung des Pledge im Mai 2016 steht dieser allen (Schieds-)Institutionen, Unternehmen und Praktikern zur Unterzeichnung offen. Bisher haben bereits 1277 Organisationen, darunter beispielsweise die ICC, das VIAC sowie Global Players wie Shell International Ltd und Einzelpersonen den Pledge unterzeichnet.