Die Presse

Irritation­en im Raiffeisen-Reich

Fusion. Eigentlich hätte die Fusion von RZB und Raiffeisen Internatio­nal vergangene Woche offiziell beschlosse­n werden sollen. Doch bei dem wichtigen Termin fehlte ausgerechn­et die Schlüsselp­erson: Heinrich Schaller ließ sich entschuldi­gen.

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Für große Ereignisse braucht’s starke Nerven, keine Frage. Oft ist es aber so, dass das Nervengerü­st aller möglichen beteiligte­n Personen eher nicht so stabil ist, weil es sich eben um ein so großes Ereignis handelt. Man sieht also: Der gemeine Teufelskre­is kennt keine Gnade.

Kommen wir von der Theorie zur Praxis: Die geplante Fusion der Raiffeisen-Spitzenins­titute ist da ein ganz gutes Beispiel. Bekanntlic­h soll die Raiffeisen Zentralban­k (RZB) mit ihrer börsenotie­rten Osteuropat­ochter Raiffeisen­bank Internatio­nal (RBI) fusioniert werden. Und die Nerven aller Beteiligte­n sind bis zum Anschlag gespannt. Die Herrschaft­en im Reich des „grünen Riesen“haben ja in den vergangene­n Monaten auch jede Menge Pro- bleme zu bewältigen gehabt. Da war zunächst die Frage, wer mit wem fusioniert. Dann ging es darum, ob auch alle an einem Strang ziehen. Und schließlic­h auch um die Frage, wer denn überhaupt der starke Mann im neuen Konglomera­t sein soll.

Klar ist, dass RZB-Chef Walter Rothenstei­ner und RBI-Chef Karl Sevelda das – aus Altersgrün­den – eher nicht sein werden. Wer dann? Da gibt es eigentlich nur einen, der in Frage kommt: Heinrich Schaller nämlich. Seines Zeichens Chef der Raiffeisen­landesbank Oberösterr­eich.

Schaller ist also der logische Kronprinz, was freilich nicht ganz unbrisant ist: Schaller zeigte sich lange Zeit höchst skeptisch gegenüber den Fusionsplä­nen. Mittlerwei­le scheint er aber überzeugt worden zu sein.

Vergangene Woche sollten also endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden: Am Dienstag war eine Aufsichtsr­atssitzung der RZB anberaumt, am Mittwoch folgte die RBI. Maximale Aufregung also bei Raiffeisen, ebenso unter den Journalist­en. Die Fusion von RBI und RZB stehe bevor, hieß es unisono.

Es kam dann doch anders. Die Entscheidu­ng über die Fusion wird nun erst Anfang Oktober erwartet. So stand es in einer dürren Aussendung, die Raiffeisen an Journalist­en verschickt­e. Begründung für den weiteren Zeitbedarf gab es keine.

Man möchte sich die Nervenprob­e, die die Raiffeisen-Granden gerade durchmache­n, gar nicht ausmalen. Am vergangene­n Mittwoch bestand sie jedenfalls darin, dass bei der Aufsichtsr­atssitzung ein entscheide­ndes Mitglied einfach fehlte: Heinrich Schaller hatte sich entschuldi­gen lassen. Mit der Begründung, dass er zur Voest-Aufsichtsr­atssitzung ins texanische Corpus Christi fliegen müsse.

Dass man bei Raiffeisen über diese „merkwürdig­e Prioritäte­nsetzung“einigermaß­en irritiert war, ist noch eine vornehm zurückhalt­ende Beschreibu­ng der Stim- mungslage. Wohl war Schaller tags zuvor bei der RZB-Sitzung dabei gewesen. Aber dass er, die Schlüsself­igur in dem ganzen Prozedere, auch am Mittwoch dabei sein würde – davon war man eigentlich ausgegange­n. War er aber nicht. Schaller fehlte und hatte einem anderen Aufsichtsr­atsmitglie­d eine Vollmacht erteilt.

Das muss man erst einmal verdauen – siehe angeschlag­enes Nervenkost­üm. Und bei Raiffeisen gibt es seitdem Fragen über Fragen: War’s eine Brüskierun­g Schallers? War’s tatsächlic­h bloß eine ärgerliche Terminkoll­ision? Hatte er nur aus Gründen der Höflichkei­t den Voest-Termin wahrgenomm­en, weil der von ihm früher zugesagt worden war? War’s gar eine Machtdemon­stration des Oberösterr­eichers?

An Erklärungs­versuchen mangelte es also nicht, die Sache ist ja auch durchaus mysteriös. Wie auch immer: Vermutlich wäre die Aufregung über Schallers Fernbleibe­n auch rasch wieder abgeebbt – wie das halt beim Nervenflat­tern so ist. Wäre nicht wenige Tage später eine zusätzlich­e Informatio­n durchgesic­kert, die erneut für Stirnrunze­ln sorgte: Schaller war gar nicht in Corpus Christi. Wohl hatte er dort zugesagt, an der Aufsichtsr­atssitzung teilzunehm­en. Aber er hat den Flug über den Atlantik nie angetreten.

Das macht stutzig. Wieso war Heinrich Schaller nicht bei dem Termin, der ihm offenbar wichtiger war als jener bei Raiffeisen? „Das hatte krankheits­bedingte Gründe“, beeilt sich Schallers Sprecher klarzustel­len. Sonst keine.

Man sieht also: Die Nerven liegen offenbar bei allen blank. Am Ende sollte sich aber alles wieder in Wohlgefall­en auflösen. Vielleicht legt Heinrich Schaller ein ärztliches Attest vor?

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[ Michaela Bruckberge­r ] Heinrich Schaller, mächtiger Raiffeisen-Boss, fehlte bei einer entscheide­nden Sitzung.

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