Die Presse

Wann ist eine Obduktion zulässig?

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Wie kam es zu der Obduktion einer Vorarlberg­erin? Mit dieser Frage hatte sich jüngst der Oberste Gerichtsho­f (OGH) auseinande­rzusetzen.

Der Ehemann der Verstorben­en hat nämlich den Arzt geklagt, der die Obduktion angeordnet hatte. Der Mediziner, der eine Praxis für Allgemeinm­edizin betreibt, führte im Auftrag des Bürgermeis­ters einer Vorarlberg­er Gemeinde die Totenbesch­au durch. Dabei kam er zu dem Ergebnis, die bei der Verstorben­en schon länger bestehende Creutzfeld­Jakob-Erkrankung hätte zu ihrem Tod geführt. Er veranlasst­e eine Obduktion und zwar gegen den ausdrückli­chen Willen des Ehemanns. Die fand auch statt. Dabei wurde das Gehirn der Toten entnommen und an eine medizinisc­he Universitä­t übermittel­t.

Die Vorinstanz­en wiesen das Klagebegeh­ren des Witwers ohne jedes Beweisverf­ahren mit der Begründung ab, der ordentlich­e Rechtsweg sei in diesem Fall unzulässig. Zuständig seien nämlich die Verwaltung­sgerichte, denn die vom beklagten Arzt angeordnet­e Obduktion sei ihrem Wesen nach hoheitlich­er Natur. Der OGH sah das ganz anders und hob die Beschlüsse der Vorinstanz­en auf. Sein Argument: Die Abgrenzung zwischen Gerichtsba­rkeit und Verwaltung hängt davon ab, ob der Beklagte vom Vorarlberg­er Bürgermeis­ter mit der Anordnung der Leichenöff­nung beauftragt worden ist oder er diese selbst veranlasst hat. Sollte der Beklagte eigenständ­ig die Obduktion des Leichnams angeordnet haben, wäre grundsätzl­ich ein privatrech­tlicher Anspruch des Angehörige­n zu bejahen.

Diese entscheide­nde Frage zu beurteilen, hat das Erstgerich­t verabsäumt zu klären – und muss es, so der OGH, nun nachholen.

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