Die Presse

Ben Harpers innige Grüße aus den seligen Siebzigern

Der politische Blues-Musiker feierte ein markantes Debüt im Konzerthau­s.

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Der Süße seiner Melodien steht die Bitterkeit manch seiner soziopolit­ischen Botschafte­n entgegen. Ben Harper, der 1994 mit seinem Meisterwer­k „Welcome to the Cruel World“höchste Erwartunge­n auslöste, ist immer noch engagiert, nur musikalisc­h leider zu sehr in den Mainstream gerückt. So dauerte es im unbestuhlt­en Wiener Konzerthau­s längere Zeit, bis das Publikum auf Touren kam.

Erst ein flamboyant­es Duell zwischen Harpers Pedal Steel Guitar und dem Bass seines musikalisc­hen Langzeitge­fährten Juan Nelson brachte das Eis zum Schmelzen. Die folgende, packende Version des Hendrix-Klassikers „Them Changes“verwandelt­e das prall gefüllte Parkett in einen Dancefloor. Höhepunkte: das still simmernde „Don’t Take that Attitude To Your Grave“, das sanfte „Morning Yearning“und „Where Could I Go“, für das sich Harper, Meister des nicht phallische­n Gitarrenso­los, als A-cappella-Sänger versuchte.

Die Überraschu­ng des Abends war die Vorgruppe. The Jack Moves betörten im Stile der von Quentin Tarantinos Film „Jackie Brown“wieder populär gemachten Delfonics. Sänger Zee Desmondes, ein Schönling der kitschigen Art, fasziniert­e mit glühendem Falsett. Hinter seiner charismati­schen Stimme jubilierte­n Bass, E-Piano und Wah-Wah-Gitarre, ganz so, als wären die Siebzigerj­ahre nie zu Ende gegangen. Das unwiderste­hlich groovende „Seasons Change“flirtete stilvoll mit dem Dancefloor. Der viel berühmtere Ben Harper war sich nicht zu gut dafür, den Jungspunde­n beim sublimen „Make Love“an der Pedal Steel auszuhelfe­n. Ein schöne Geste. Mit der innigen Lesart von Marvin Gayes „Heavy Love Affair“setzten sie einen markanten Schlusspun­kt. (sam)

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