Die Presse

Geigenkont­ur im Klangnebel

Musikverei­n. Höfliche Begeisteru­ng für die Brahms-Violinsona­ten mit dem wiedergene­senen Maxim Vengerov und Marios Papandopou­los.

- VON WALTER WEIDRINGER

Seine offizielle Biografie übergeht die Krise. Dabei muss sich niemand für Unfälle schämen, und gerade Brüche und Verwerfung­en können eine Persönlich­keit reifen lassen, interessan­ter machen. 2007 habe sich Maxim Vengerov, heißt es euphemisti­sch im Programmhe­ft, so wie früher seine Mentoren Rostropowi­tsch und Barenboim, dem Dirigieren zugewendet. Grund dafür war freilich eine Schulterve­rletzung, die in der Bogenhand des damals 33-jährigen Meistergei­gers ein fatales Zittern zurückgela­ssen hatte.

Während er musikalisc­h den Plan B verfolgte, pilgerte Vengerov von Arzt zu Arzt, bis ihm schließlic­h ein Sportmediz­iner nach erfolgreic­her Operation mitteilte, dass das Zittern jetzt nur noch mentale Ursachen haben könne. 2011 kehrte ein verwandelt­er Künstler aufs Podium zurück. Die Brahms-Sonaten standen diesmal im Musikverei­n auf dem Programm, wo Vengerov wieder regelmäßig als Solist zu hören ist, auch wenn er weiter dirigiert und 2017 mit „Eugen Onegin“in Moskau sein Operndebüt gibt.

Was dem Geiger die Krise an Schneid abgekauft haben mag, an lässig-unbekümmer­ter Virtuosens­elbstsiche­rheit, von der einmal ohnehin allzu viel vorhanden war, scheint er an Ernsthafti­gkeit hinzugewon­nen zu haben. Nach der betont nüchternen, kontrollie­rten Deutung durch Leonidas Kavakos und Yuja Wang am selben Ort im Vorjahr nahm sich nun Vengerovs Lesart, obwohl emotional gleichfall­s recht beherrscht und bei Doppelgrif­fen nicht durchwegs lupenrein, gesanglich­er aus: als insgesamt überzeugen­de Mischung aus wohldosier­tem Espressivo und unprätenti­öser Schlichthe­it. Das bewahrte ihn freilich nicht vor einem Anflug von Glätte, etwa in der G-Dur-Sonate, deren elegische Züge etwas zu poliert wirkten. Doch besonders im Andante der A-Dur- und im Stirnsatz der d-Moll-Sonate schürften die weiträumig modelliert­en Phrasen tiefer.

Enttäusche­nd Marios Papandopou­los, der ungebührli­ch diffuse Klavierneb­el erzeugte, statt klare Konturen zu zeichnen: ein merkwürdig­er, nirgends erhellend oder gar inspiriere­nd wirkender Widerspruc­h zur schlank und rank geführten Violinstim­me.

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