Geigenkontur im Klangnebel
Musikverein. Höfliche Begeisterung für die Brahms-Violinsonaten mit dem wiedergenesenen Maxim Vengerov und Marios Papandopoulos.
Seine offizielle Biografie übergeht die Krise. Dabei muss sich niemand für Unfälle schämen, und gerade Brüche und Verwerfungen können eine Persönlichkeit reifen lassen, interessanter machen. 2007 habe sich Maxim Vengerov, heißt es euphemistisch im Programmheft, so wie früher seine Mentoren Rostropowitsch und Barenboim, dem Dirigieren zugewendet. Grund dafür war freilich eine Schulterverletzung, die in der Bogenhand des damals 33-jährigen Meistergeigers ein fatales Zittern zurückgelassen hatte.
Während er musikalisch den Plan B verfolgte, pilgerte Vengerov von Arzt zu Arzt, bis ihm schließlich ein Sportmediziner nach erfolgreicher Operation mitteilte, dass das Zittern jetzt nur noch mentale Ursachen haben könne. 2011 kehrte ein verwandelter Künstler aufs Podium zurück. Die Brahms-Sonaten standen diesmal im Musikverein auf dem Programm, wo Vengerov wieder regelmäßig als Solist zu hören ist, auch wenn er weiter dirigiert und 2017 mit „Eugen Onegin“in Moskau sein Operndebüt gibt.
Was dem Geiger die Krise an Schneid abgekauft haben mag, an lässig-unbekümmerter Virtuosenselbstsicherheit, von der einmal ohnehin allzu viel vorhanden war, scheint er an Ernsthaftigkeit hinzugewonnen zu haben. Nach der betont nüchternen, kontrollierten Deutung durch Leonidas Kavakos und Yuja Wang am selben Ort im Vorjahr nahm sich nun Vengerovs Lesart, obwohl emotional gleichfalls recht beherrscht und bei Doppelgriffen nicht durchwegs lupenrein, gesanglicher aus: als insgesamt überzeugende Mischung aus wohldosiertem Espressivo und unprätentiöser Schlichtheit. Das bewahrte ihn freilich nicht vor einem Anflug von Glätte, etwa in der G-Dur-Sonate, deren elegische Züge etwas zu poliert wirkten. Doch besonders im Andante der A-Dur- und im Stirnsatz der d-Moll-Sonate schürften die weiträumig modellierten Phrasen tiefer.
Enttäuschend Marios Papandopoulos, der ungebührlich diffuse Klaviernebel erzeugte, statt klare Konturen zu zeichnen: ein merkwürdiger, nirgends erhellend oder gar inspirierend wirkender Widerspruch zur schlank und rank geführten Violinstimme.