Föderalismus: Die Chance, einen Wandel einzuleiten
Trotz aller Kritik an Landeshauptleuten: Wirklich stark sind Österreichs Bundesländer nur, soweit dies der Bund zulässt.
Die Beantwortung der Frage, ob es dieser Verfassung gelungen ist, aus Österreich einen Bundesstaat zu machen, wird von der jeweiligen Bestimmung des Bundesstaatsbegriffs abhängen“, schrieb der berühmte Verfassungsjurist Hans Kelsen in seinem Kommentar zur Bundesverfassung von 1920. Euphorie liest sich anders.
An dieser zurückhaltenden Beurteilung, ob Österreich überhaupt ein Bundesstaat ist, hat sich in den vergangenen 96 Jahren seit Inkrafttreten des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG) wenig geändert: Der vor Kurzem verstorbene Staatsrechtler Heinz Peter Rill meinte 2008 zur österreichischen Bundesstaatlichkeit im internationalen Vergleich: „Alles in allem ist der Status quo bundesstaatlicher Mindeststandard.“
Der Befund kontrastiert deutlich mit dem Eindruck, den man bei der Lektüre zahlreicher Medien gewinnt. Da ist zu lesen, dass sich der Bund in der Geiselhaft der Landeshauptleute befinde oder dass die Länder jegliche Reform blockieren würden. Nur, wie sollte das möglich sein, wenn die Landeshauptleute über keine verfassungsrechtliche Position verfügen und der Bundesrat als Vertretungsorgan der Länder ein politisches und rechtliches Leichtgewicht ist?
Perchtoldsdorf und retour
Immerhin bestätigen einige Politikwissenschaftler, dass der Bundesstaat im internationalen Vergleich zwar rechtlich schwach ausgebildet ist, die Landeshauptleute aber über eine nicht unerhebliche Machtposition verfügen. Eine Erklärung dafür zu finden ist gar nicht so einfach. Versuchen wir es mit einem kurzen Rückblick.
Noch in der Kreisky-Ära verfügten die Landeshauptleute bei Weitem nicht über jenes politische Gewicht, das ihnen aktuell zukommt. Die Tagung der Landeshauptleute war, anders als heute, noch kein Medienereignis. Dass ausgerechnet 1974 die mehr oder weniger einzige Novelle der Bundesverfassung beschlossen wurde, mit der die Länderrechte nachhaltig gestärkt wurden, zählt freilich zu den vielen Paradoxien des österreichischen Föderalismus.
Als die Regierung Vranitzky den berühmten Brief mit dem Beitrittsansuchen nach Brüssel abschickte, waren es vor allem zwei Landeshauptleute aus dem Westen, die den proeuropäischen Kurs unterstützten: Wendelin Weingartner aus Tirol und Martin Purtscher aus Vorarlberg. Die Bundesregierung tat gut daran, sich der Unterstützung der Länder zu versichern: Ohne massive Unterstützung durch führende Landespolitiker wäre es unmöglich gewesen, Österreichs zaudernde Bevölkerung für einen EU-Beitritt zu gewinnen.
Dass sich schließlich alle Landeshauptleute auf die Unterstützung der EU-Mitgliedschaft verständigt haben, ist übrigens ein historisches Verdienst, ver-