Hoffen auf eine Reinigungskrise
Wie die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren in einer Situation des selbstproduzierten Siechtums erstarrt ist.
Vor ziemlich genau acht Jahren stürzte die Lehman-Krise die Weltwirtschaft in die Rezession. Der Interbankenmarkt brach zusammen, die industrielle Welt geriet in eine schwere Krise, die schlimmste der Nachkriegszeit. Die Krise ist noch nicht wirklich überwunden, denn überall auf der Welt halten es die Notenbanken für notwendig, die Wirtschaft mit Niedrigstzinsen nahe bei null zu stützen.
Einige Volkswirte glauben, es zeige sich hier das schon von Alvin Hansen beschriebene Phänom der „säkularen Stagnation“. Wegen der allmählichen Erschöpfung rentabler Investitionsprojekte sei der natürliche Realzins immer weiter gesunken, sodass die Wirtschaft nur bei einem entsprechend fallenden Geldzins stabilisiert werden könne.
Angesichts der enormen Kreditblase, die der Krise in Japan, den USA und Südeuropa vorausgegangen ist, und der aggressiven Politiken der Notenbanken zweifle ich, ob diese Theorie stimmt. Ich sehe vielmehr einen ganz anderen Mechanismus hinter dem Geschehen, den ich selbstproduziertes Siechtum nenne. Man versteht diese Hypothese am besten vor dem Hintergrund des Schumpeter’schen Konjunkturzyklus.
Wenn die Blase platzt . . .
Aufgrund von Erwartungsfehlern bilden sich in einer Marktwirtschaft regelmäßig Kreditblasen mit stark wachsenden Asset-Preisen, die platzen und danach wieder neues Wachstum ermöglichen. Investoren kaufen in Erwartung steigender Preise und Einkommen Wohn- sowie Gewerbeimmobilien, und sie wagen neue Unternehmungen.
Weil sie das tun, steigen die Immobilienpreise, es gibt einen Bauboom, eine neue Gründerzeit setzt ein, die sich über die Belebung der Binnenwirtschaft ein Stück weit selbst trägt und die Dienstleistungssektoren mit erfasst. Wachsende Einkommen machen die Kreditnehmer immer wagemutiger, was die Stimmung weiter aufheizt. Dann platzt die Blase. Die Ökonomie kollabiert, und die Immobilienpreise fallen; Firmen und Banken gehen in Konkurs; Grundstücke, Fabrikgebäude, Wohnhäuser und nicht zuletzt Arbeitskräfte werden frei.
„Schöpferische Zerstörung“
Bei niedrigen Preisen und günstigen Arbeitslöhnen steigen wieder neue Investoren ein, die neue Firmen mit neuen Geschäftsideen aufbauen. Nach der „schöpferischen Zerstörung“setzt eine neue Gründerzeit ein.
In der jetzigen Krise wurde die „schöpferische Zerstörung“, die die Basis des neuen Aufschwungs hätte sein können, durch die Geldpolitik der Zentralbanken verhindert. Sie verhinderten damit auch, dass sich genug junge Unternehmer und Investoren bereitfanden, den Neustart zu wagen. Die Plätze blieben von Altunternehmen besetzt, die sich mühsam über Wasser hielten. Insbesondere in Japan und Europa sind haufenweise Zombie-Firmen und Zombie-Banken erhalten geblieben und blockieren aufstrebende Konkurrenten. So erstarrt die Wirtschaft in einer Situation des selbstproduzierten Siechtums.
Aus dieser Falle kann nur eine Reinigungskrise der Schumpeter’schen Art herausführen, die in Europa mit Schuldenschnitten und Euroaustritten einhergehen müsste, denen Währungsabwertungen folgen. Die Krise ist zwar hart, doch schafft sie nach einem abwertungsbedingten, rapiden Rückgang der Dollar- oder Eurowerte der Asset-Preise inklusive der Preise von Land und Immobilien schon nach kurzer Zeit wieder Platz für neue Firmen und Investitionsprojekte. Die natürliche Rendite ist dann wieder hoch, sodass die Wirtschaft zu normalen Zinsen wachsen kann. Je früher man diese Reinigungskrise stattfinden lässt, desto glimpflicher wird sie ausgehen.