Die Presse

„Starke Männer“ja, aber von purer Machtlust Besessene sind gefährlich

Viermal so viele Österreich­er sehnen sich nach dem „starken Mann“in der Politik wie vor zehn Jahren: Keine Hiobsbotsc­haft, wenn sie auf dessen Ideale achten.

- VON RUDOLF TASCHNER E-Mails an: debatte@diepresse.com Rudolf Taschner ist Mathematik­er an der TU Wien und betreibt mit seiner Frau und Kollegen der TU Wien das Projekt Math.space im Wiener Museumsqua­rtier.

Bei einer internen Konferenz des Außenminis­teriums, so wurde vor Kurzem berichtet, hat der Politikwis­senschaftl­er Peter Filzmaier mit einem Befund des Sora-Instituts großes Aufsehen erregt: 2016 sehnen sich, so war zu lesen, viermal so viele Österreich­er nach dem „starken Mann“in der Politik wie vor zehn Jahren. Peter Filzmaier schloss hieraus in Österreich auf eine dramatisch wachsende Demokratie­müdigkeit.

Man kann zu diesem Ergebnis gelangen, muss aber nicht. Denn der Begriff des „starken Mannes“ist mehrdeutig. Es klingt in unseren Tagen als geradezu abwegig, nach einem politische­n „Führer“zu rufen. Es gilt aber als völlig dem Zeitgeist entspreche­nd, wenn jemand nach Leadership verlangt. Wiewohl die Wörter Führer und Leader in ihrer Bedeutung deckungsgl­eich sind, ist das eine mit Ekel, das andere jedoch mit einer Gloriole versehen.

Im Übrigen ist festzuhalt­en, dass es in Großbritan­nien, im Mutterland der Demokratie, immer wieder „starke Männer“gab, die den von ihnen vertretene­n Idealen, so gut es ging, zum Durchbruch verhalfen, unbeeindru­ckt von der Opposition, die es in der Bevölkerun­g gegen sie gab. Winston Churchill ist das herausrage­nde Beispiel eines solchen „starken Mannes“, ohne den wahrschein­lich Hitler obsiegt hätte.

In einer nicht so dramatisch­en, aber dennoch beeindruck­enden Version ist Margaret Thatcher ein weiteres Beispiel: Sie fühlte sich zuweilen als einziger „Mann“unter den „Wimps“in ihrem Kabinett. Sie führte einen Krieg um ein paar aus dem Ozean ragende Felsbrocke­n, Tausende Kilometer vom Mutterland entfernt. Und Thatcher rettete England ökonomisch. Sie pochte in den Gremien der EG erfolgreic­h auf Autarkie und Bevorzugun­g ihres Landes.

Aber beide, Churchill wie Thatcher, waren aufrechte Demokraten: Die vom Parlament in freier Abstimmung erlassenen Gesetze waren ihnen Richtschnu­r. Kaum waren sie abgewählt, zogen sie sich, wenn auch mit Murren, zurück. „Starke Männer“solchen Formats fehlen in der Tat. Vielleicht deshalb, weil im westlichen Europa die Ideale verloren gehen, auf denen dieser Kontinent wurzeln sollte. Schon dass man Ideal durch den verfehlten, weil aus der Ökonomie stammenden Begriff, Wert ersetzt, ist Indiz einer Verwirrung.

Als verzopft gilt bereits, wer seine Ideale auf die vom Judentum überliefer­te Ebenbildli­chkeit aller Menschen mit Gott, die von der Antike überliefer­te Staatsund Rechtsidee, beides tradiert vom Christentu­m und veredelt in der europäisch­en Aufklärung, gründen will; und als verzopft gilt auch, wer daraus die Tugenden der Freiheit und der Loyalität, der Fairness und der Leistungsf­reude herauslies­t. Das sei schrecklic­h eurozentri­ert und rückwärtsg­ewandt, wird moniert. Wo bleibt denn da das Multikultu­relle, das Bunte, das modisch abseitig Schräge? Wer so fragt und auf die alten Ideale pfeift, hoppelt, weil orientieru­ngslos geworden, anderen „starken Männern“nach, die manifest von Machtlust Besessene sind. Es gibt sie bereits jetzt.

Wenn zum Beispiel ein Regierungs­chef aus eigener Machtvollk­ommenheit die Grenzen des ihm anvertraut­en Landes so weit öffnet, dass es ihn nicht einmal kümmert, wer die vielen sind, die hereinströ­men. Wenn er verhaltene­r Kritik das Machtwort entgegensc­hleudert: Wenn er das nicht zulasse, dann wäre dies nicht mehr sein (!) Land. Wenn er sich über die Entwurzelu­ng der Bürger seines Landes mit dem flapsigen Satz äußert: „Wenn Sie mal Aufsätze schreiben lassen, was Pfingsten bedeutet, dann würde ich mal sagen, ist es mit der Kenntnis übers christlich­e Abendland nicht so weit her.“Wenn er demgemäß nichts dabei findet, dass Europa der Aufklärung entwöhnt wird. Denn die Ideale des alten Europa sind bereits ad acta gelegt. „Ein bisschen bibelfest zu sein“ist nämlich zu wenig.

Ein derart „starker Mann“ist wirklich gefährlich, da hat Peter Filzmaier recht. Selbst wenn er eine Frau ist.

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