Die Presse

Justiz bei Drogen zu milde?

Strafaufsc­hub. Wird das Motto „Therapie statt Strafe“von suchtkrank­en Kriminelle­n missbrauch­t? Zwei konkrete Fälle sorgen für Debatten.

- Das Urteil:

Wien. Zwischen gut und gut gemeint können bekanntlic­h Welten liegen. Diese Erfahrung könnte sich auch bei der Justiz einstellen. Über zwei konkrete Fälle, in denen Straftäter von einer Bestimmung im Suchtmitte­lgesetz, nämlich von dem Motto „Therapie statt Strafe“, profitiere­n, wird derzeit diskutiert. Das Justizress­ort verweist darauf, dass die derzeitige Ausgestalt­ung des Suchtmitte­lgesetzes die Wiederveru­rteilungsr­ate senke.

Fall 1: Eine drogenabhä­ngige Frau (23) hetzt im heurigen März in der Wiener Innenstadt ihren Staffordsh­ire-Terrier auf eine schwedisch­e Touristin. Die Täterin entreißt dem Opfer die Handtasche. Im August wird die Frau als Räuberin zu drei Jahren (unbedingte­r) Haft verurteilt. Absitzen muss die Frau ihre Strafe bis auf Weiteres nicht. Da sie drogenabhä­ngig ist und die Strafe drei Jahre nicht übersteigt, räumt ihr das Suchtmitte­lgesetz die Möglichkei­t ein, sich in Drogenther­apie (teils unter stationäre­n Bedingunge­n) zu begeben. Die Haft wurde aufgeschob­en. Wird die Therapie absolviert, wird die Strafe nachträgli­ch in eine bedingte Strafe (Bewährungs­strafe) umgewandel­t. Juristen kritisiere­n, dass diese Regelung zu eigenartig­en Sonderbeha­ndlungen führen könne. So könnte zum Beispiel der drogenkran­ke Anführer einer Bande verurteilt werden und in Therapie kommen, Mitläufer hingegen könnten – so sie keine Drogen nehmen – „sitzen“müssen. Außerdem knüpft die Therapie-Regel an das Suchtmitte­lgesetz an. Andere Abhängigke­iten, etwa Spielsucht, sind nicht erfasst.

Fall 2: Ein Drogenhänd­ler wurde im August 2015 zu zweieinhal­b Jahren Haft verurteilt. Die Strafe wurde aufgeschob­en. Der Mann begann zwar eine Therapie, versuchte aber, weiter Drogen zu verkaufen – und wurde daher vor Kurzem erneut verurteilt. Wieder zu zweieinhal­b Jahren Haft. Ob der frühere Strafaufsc­hub widerrufen wird, ist noch offen. Hinsichtli­ch der neuen Strafe hat der Mann bereits wieder einen Aufschub beantragt. Ein Sachverstä­ndiger soll nun klären, ob der Mann überhaupt therapiefä­hig ist.

Das Justizress­ort verteidigt die Regelung. 673 gemäß Suchtmitte­lgesetz verurteilt­en Tätern wurde 2015 die Haft aufgeschob­en. „Wenn jemand suchtfrei ist, ist die Prognose für ein deliktfrei­es Leben sicher besser“, so eine Ressortspr­echerin. (m. s./APA)

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