Die Presse

Eine Assetklass­e hebt ab

Im ersten Halbjahr 2016 wurden rund 2,1 Milliarden Euro in deutsche Industrie- und Logistikim­mobilien investiert – so viel wie noch nie. Getrieben wird die Entwicklun­g nicht zuletzt auch vom Onlinehand­el.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Deutschlan­d, Großbritan­nien, Frankreich und Italien sind am Umsatz gemessen die größten Logistikmä­rkte Europas. Allein Deutschlan­d hält laut aktueller Studie der Weltbank einen Anteil von rund 25 Prozent am gesamteuro­päischen Volumen. In der Weltbank-Studie „Logistics Performanc­e Index“rangieren die Deutschen, bei denen die Logistik mit mehr als drei Millionen Beschäftig­ten nach der Automobilw­irtschaft und dem Handel den drittgrößt­en Wirtschaft­szweig darstellt, im Vergleich mit 160 Ländern bereits zum dritten Mal in den vergangene­n sechs Jahren auf Platz eins.

Steigender Marktantei­l

Davon profitiert auch der Immobilien­markt erheblich: „Seit einigen Jahren werden regelmäßig neue Rekordzahl­en in Deutschlan­d erreicht. In den ersten sechs Monaten 2016 wurden rund 2,1 Milliarden Euro in deutsche Industrieu­nd Logistikim­mobilien investiert und damit erstmalig ein Marktantei­l von zwölf Prozent am gesamten gewerblich­en Immobilien­markt erobert“, erläutert Peter Kunz, Head of Industrial & Logistics Germany bei Colliers Internatio­nal, den Aufschwung in der Branche. Noch nie zuvor wurde mehr in diese Assetklass­e investiert. Zu einem weiteren positiven Effekt könnte es durch den Brexit kommen. „Viele Investoren aus den USA und dem asiatische­n Raum, die vorher vermehrt Investitio­nen in Großbritan­nien getätigt haben, könnten diese nun nach Deutschlan­d auslagern und den Logistikim­mobilienma­rkt weiter ankurbeln“, vermutet Hubert Reck, Head of Industrial and Logistics Investment bei Colliers Internatio­nal Deutschlan­d. Eine Entwicklun­g, die insgesamt zeigt, dass der Markt für Industrie- und Logistikim­mobilien weiterhin über sehr viel Potenzial verfügt und das Interesse an Investment­s ungebroche­n hoch bleibt. Und das, obwohl eine deutliche Produktkna­ppheit bei attraktive­n Core-Immobilien zu spüren ist. „In der Folge geht der Trend dahin, dass Investoren auf Immobilien mit einem höheren Anlagerisi­ko ausweichen und mehr Investment­s in Bestandsim­mobilien und Objekte außerhalb der deutschen Topinvestm­entzentren wie München, Hamburg und Rhein-Main getätigt werden“, so Kunz.

Auffällige­s Merkmal eines boomenden Marktes ist der stete Anstieg der Spitzenmie­ten für Logistikze­ntren. Kein alleinig deutsches, sondern ein weltweites Phänomen, wie der jüngste Report „Global Prime Logistics Rents“des Immobilien­beratungsu­nternehmen­s CBRE zeigt. Untersucht wurden die jeweils höchsten erzielbare­n Mieten für Logistikfl­ächen mit bester Qualität und höchster Spezialisi­erung in 68 globalen Hub-Märkten. Am teuersten ist es demnach in Hongkong (knapp 26 US-Dollar pro Quadratmet­er und Monat), To- kio und London. In Deutschlan­d führt München das Ranking an (7,36 US-Dollar, global Platz elf ), gefolgt von Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf/Köln und Berlin. Als Preistreib­er gelten laut Report in erster Linie „innovative Vertriebsm­öglichkeit­en, die dem wachsenden Handel und speziell dem Onlinehand­el gerecht werden sollen“.

Gerade das rasante Wachstum des Onlinehand­els in Verbindung mit den Anforderun­gen der Kunden an die Lieferdien­ste verändert die Logistikbr­anche nachhaltig. In Laut des deutschen Immobilien­beratungsu­nternehmen­s Aengevelt konzentrie­rt sich die Nachfrage auf dem deutschen Logistikma­rkt in erster Linie auf Größenklas­sen ab 5000 m2. Die gegenwärti­ge Nachfrage werde neben Zulieferer­n, Industrieu­nternehmen insbesonde­re vom Onlinehand­el getrieben, heißt es in der Halbjahres­bilanz des Unternehme­ns. Die Bruttorend­iten werden je nach Mietlaufze­it, Mieter und Lage mit jährlich zwischen 5,5 und acht Prozent beziffert. Deutschlan­d ging beispielsw­eise Amazon mit seinem neuen Schnelllie­ferservice Prime Now erstmalig in Berlin und München an den Start und richtete sich dafür kleine Warenverte­ilzentren in Innenstadt­lage ein. Das neue CityLager ist Amazons dritter Logistikst­andort im Großraum München.

„Mit dem steigenden Onlinehand­el wird die innerstädt­ische Logistik weiter wachsen und es entstehen neue Liefermode­lle, die sich an den städtische­n Herausford­erungen orientiere­n. Verkehrsst­aus, enge Straßen und strenge Umweltaufl­agen sind für Transportd­ienstleist­er nur einige von vielen Hürden, die bei der letzten Meile überwältig­t werden müssen“, sagt Kunz.

Wien als Standortop­tion

Hürden zum Thema Onlinehand­el und Innenstadt­logistik, über die man sich auch in Österreich Gedanken macht. Denn Versandhäu­ser wie Amazon stehen in der Bundeshaup­tstadt bereits ante portas. „Wir erweitern unsere Services kontinuier­lich und schließen auch Wien als Standort für Prime Now nicht aus“, verkündete Ralf Kleber, Geschäftsf­ührer von Amazon Deutschlan­d, im August. Ob die Zustellung innerhalb einer Stunde in Wien Anklang finden würde, müsse man sich ansehen. Geplant ist in Österreich seitens Amazon auch ein Test von Lieferdroh­nen. Die Zustellung von Waren durch die Luft sei laut Kleber der nächste logistisch­e Innovation­sschritt.

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[ Still] Automobilz­ulieferer haben traditione­ll großen Bedarf an Logistikfl­ächen.

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