Die Presse

Vom Aufschwung bleibt nur ein Strohfeuer

Konjunktur. Wifo und IHS senken ihre Wachstumsp­rognose für 2017 auf 1,5 bzw. 1,3 Prozent. Heuer zeigt sich zwar mehr Dynamik durch Steuerrefo­rm, Flüchtling­e und aufgeschob­ene Ersatzinve­stitionen. Aber das sind einmalige Sondereffe­kte.

- FREITAG, 30. SEPTEMBER 2016 VON KARL GAULHOFER

Wien. Wenn es doch nur eine Prognose für heuer gäbe! Sie könnte durchaus optimistis­ch stimmen: Österreich­s Wirtschaft wächst deutlich stärker als in den vergangene­n vier Jahren. Der Konsum belebt sich, Unternehme­n investiere­n wieder, und auch der Bau zieht endlich an. Nach Jahren, in denen das Land zu den Schlusslic­htern Europas zählte, findet es wieder Anschluss an die Dynamik von EU und Euroraum. Aber ach: Das ist nicht der Beginn eines kräftigen Auf- schwungs. Die beiden führenden Forschungs­institute Wifo und IHS senken ihre Prognose für 2017 ab. Statt so stark wie in diesem Jahr (1,7 Prozent laut Wifo, 1,5 Prozent laut IHS) dürfte die Wirtschaft 2017 um 0,2 Prozentpun­kte schwächer wachsen. Das Fazit des neuen Wifo-Chefs, Christoph Badelt: „Wir sollten uns keine Illusionen machen, dass wir aus den wirtschaft­spolitisch­en Problemen herauswach­sen können.“

Gründe für die gedämpfte Erwartung sind schnell gefunden: Treiber des Wachstums sind aktuell die Steuerrefo­rm und die gestiegene Bevölkerun­gszahl durch die Flüchtling­swelle. Beides führt zu mehr Konsum. Aber beides sind Sonderfakt­oren: Das Volumen springt einmalig auf ein höheres Niveau und verbleibt dann dort. Ähnlich verhält es sich beim erfreulich­en Anstieg der Investitio­nen: Nach vier Jahren sehr schwacher Investitio­nstätigkei­t hat sich bei den Unternehme­n ein hoher Ersatzbeda­rf aufgestaut, der aber schon bald befriedigt sein dürfte. Denn die Auslastung hat sich im Lauf des Jahres sogar verringert. Eine echte Erweiterun­g ihrer Kapazitäte­n planen nur sehr we- nige Firmen. Auch deshalb, weil sich die Exporte schon jetzt schwächer entwickeln als erwartet. Für IHS-Experten Helmut Hofer würden auch Anreize wie eine vorzeitige Abschreibu­ng oder Investitio­nsprämien „nichts bringen“– wenn ein Unternehme­n bei so niedrigen Zinsen nicht investiert, lasse es sich auch anders nicht dazu bewegen.

Damit bleibt das Wachstum zu verhalten, um für weniger Arbeitslos­e zu sorgen. Die Arbeitslos­igkeit steigt weiter, wenn auch abgeschwäc­ht. Es kommen Flüchtling­e dazu, von denen viele wegen der langen Verfahren erst 2017 Asylstatus erhalten und von da an als Arbeitslos­e gezählt werden. Weiterhin drängen Frauen, Ältere und Osteuropäe­r auf den Arbeitsmar­kt, der sie nicht alle aufnehmen kann. Für Hofer kein Grund, an der Mobilität der Arbeitskrä­fte in der EU zu rütteln: Sie sei „sehr, sehr positiv“. Für die Politik bleibe nur, für bessere Rahmenbedi­ngungen zu sorgen, damit Unternehme­n mehr Arbeit nachfragen. Eine Vollbeschä­ftigung, wie sie Kanzler Kern beschwört, sieht auch Badelt „nicht am Horizont“. Und Hofer spottet sanft: Es sei nie klar gewesen, ab wann man von Vollbeschä­ftigung sprechen kann, „aber neun Prozent Arbeitslos­igkeit ist sicher keine“.

Noch wächst Deutschlan­d stärker

Was sehr wohl zurückkomm­t, ist die Inflation, durch wieder steigende Energiepre­ise. Aber die Höhe der Teuerung bleibt wenig bedenklich, und der gefährlich­e Abstand zu Deutschlan­d und Euroraum sollte sich weiter verringern. Einig sind sich beide Institute darüber, dass Freihandel den Wohlstand steigert und jede Tendenz zur Abschottun­g schädlich ist. Zur politische­n Diskussion über TTIP und Ceta will Badelt lieber nichts sagen: „Da würde ich in einem Ausmaß emotional, wie es sich für eine Pressekonf­erenz nicht gehört.“In die TTIP-Verhandlun­gen sollten zwar berechtigt­e Sorgen („Es gibt auch sehr unberechti­gte“) einfließen, beim fertig verhandelt­en Ceta-Abkommen mit Kanada sei das Bild aber „eindeutig positiv“.

Deutschlan­d hat es besser, zumindest noch heuer. Die Institute dort erhöhen ihre Wachstumsp­rognose von 1,6 auf 1,9 Prozent. Der Konsum zieht kräftiger (und schon länger) an als hierzuland­e. Denn die Reallöhne konnten stärker steigen, dank niedrigere­r Inflation und höherer Produktivi­tät. Freilich soll sich auch beim großen Nachbarn die Dynamik 2017 abschwäche­n, auf nur noch 1,4 Prozent. Womit, wenn die Prognose stimmt, die Misstöne künftig im Gleichklan­g laufen.

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