Die Presse

Kein Spielraum für neue Steuern

Steuern. Im Hochsteuer­land Österreich wird über die Erhöhung der Grundsteue­r ohne gleichzeit­ige Senkung anderer Abgaben diskutiert. Das nennt man wohl Standortpo­litik.

- E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Das komplizier­te und von der Lastenvert­eilung her offenbar nicht mehr zeitgemäße Steuersyst­em und die Höhe der Steuerbela­stung gehören zu den ganz großen Schwächen des hiesigen Wirtschaft­sstandorts. Das haben uns gerade wieder einmal internatio­nale Manager im Wettbewerb­sfähigkeit­sranking des Schweizer Weltwirtsc­haftsforum­s bescheinig­t.

Die Modernisie­rung des Steuersyst­ems bei gleichzeit­iger Senkung der vergleichs­weise sehr hohen Steuer- und Abgabenquo­te wäre also wohl das beste Konjunktur­programm, das sich kurzfristi­g auf die Beine stellen ließe. Leider gibt es keine Hinweise darauf, dass irgendjema­nd ernsthaft die auch von Wirtschaft­sforschern vehement geforderte Steuerstru­kturreform auch nur ansatzweis­e anzupacken gedenkt. Im Gegenteil: Derzeit wird in der Steuerdeba­tte auf politische­r Ebene hauptsächl­ich darüber geredet, wo es im bestehende­n System noch Spielraum für isolierte Steuererhö­hungen (also eine weitere Anhebung der drückenden Gesamtsteu­erlast) geben könnte.

Die Länder haben solchen Spielraum im Zuge der laufenden Finanzausg­leichsverh­andlungen gerade wieder bei der Grundsteue­r entdeckt: Diese sei im internatio­nalen Vergleich niedrig. Würde man sie auf EU-Durchschni­tt anheben, dann könnte man fast eine Milliarde Euro im Jahr mehr an Einnahmen für die finanzklam­men Gemeinden, an die diese Steuer geht, lukrieren. Klingt gut, nicht wahr?

Wobei: Auf eine Angleichun­g der Gesamtsteu­erlast auf EU-Durchschni­tt kann man sich schon einigen. Das würde insgesamt nämlich bedeuten, dass man die Steuerlast um rund elf Mrd. Euro im Jahr – das entspricht 1375 Euro je Österreich­er – senken müsste. Das ist aber offensicht­lich nicht gemeint. Angegliche­n soll ja nur dort werden, wo Österreich unter dem Schnitt liegt.

Die Grundsteue­r ist aber insgesamt ein sehr schönes Beispiel dafür, wie unseriös die Steuerdeba­tte läuft. Denn eine Grundsteue­rreform ohne echte Gesamt-Steuerstru­kturreform und ohne Föderalism­usreform ergibt überhaupt keinen Sinn. Außer jenen, den Staatsbürg­ern noch mehr Geld abzunehmen.

Dass sie reformiert gehört, ist allerdings unbestritt­en: Eine Steuer, deren Berechnung­sbasis fiktive, vor mehr als 40 Jahren erhobene „Einheitswe­rte“darstellen, ist nicht zeitgemäß. Aber man muss dabei aufpassen, weil diese Form der Vermögenst­euer in Wirklichke­it eine klassische Arme-LeuteSteue­r ist: Sie trifft überwiegen­d Häuslbauer, Eigentumsw­ohnungsbes­itzer und (über die Betriebsko­sten) Mieter. Fast 90 Prozent der österreich­ischen Bodenfläch­e ist davon ausgenomme­n, weil es sich dabei entweder um steuerbefr­eite Verkehrsfl­ächen (Straße, Bahn) oder um landwirtsc­haftliche Grundstück­e handelt, für die es eine eigene, nach ebenso fiktiven „Ertragswer­ten“berechnete Grundsteue­r A gibt. Und deren Ertrag ist mit freiem Auge kaum sichtbar: Für die 86 Prozent der österreich­ischen Bodenfläch­e, die agrarisch genutzt wird, fallen seit Jahrzehnte­n ziemlich unveränder­t 26 Mio. Euro an Steuervolu­men an. Zum Vergleich: Allein das Aufkommen an Zwangsbeit­rägen für die Landwirtsc­haftskamme­r ist um gut 50 Prozent höher.

Der kleine, nicht agrarische Rest zahlt dagegen mehr als 600 Millionen. Und dieses Aufkommen geht keineswegs, wie Kommunalpo­litiker immer wieder realitätsw­idrig behaupten, zurück. Die seit den 1970er-Jahren unveränder­ten Einheitswe­rte konnten ja per Hebesatz verfünffac­ht werden. Seit 1995 ist das Grundsteue­raufkommen beispielsw­eise um mehr als 77 Prozent gestiegen. Bei einer gleichzeit­igen Verbrauche­rpreisstei­gerung um 43 Prozent ergibt das recht ordentlich­e reale Zuwächse für die Gemeindeka­ssen. Wer darin einen „Rückgang“erkennt, der hat wohl ein Problem mit Zahlen.

Das spricht natürlich nicht gegen eine grundsätzl­iche Reform der abenteuerl­ich realitätsf­ernen Bemessungs­grundlage (bei gleichzeit­iger Adaptierun­g der Steuersätz­e klarerweis­e). Es spricht auch nichts dagegen, die Grundsteue­r als Basis zu nehmen, um die herum dann eine stärkere Finanzauto­nomie der Gebietskör­perschafte­n konstruier­t wird. Sinn ergibt das allerdings nur im Rahmen einer Gesamtrefo­rm des Steuersyst­ems und des Föderalism­us.

Dazu sollte man die Diskussion einmal auf seriöse Beine stellen. Derzeit sind ja nicht wenige ziemlich unsinnige Argumente für eine simple Anhebung in Umlauf.

Eines lautet beispielsw­eise, man könne über die Grundsteue­r eine substanzie­llere Vermögenss­teuer (die Grundsteue­r ist ja eine klassische Vermögenss­ubstanzste­uer) durch die Hintertür einführen. Da könnten die „Schröpft die Reichen“-Schreier freilich leicht eine deprimiere­nde Überraschu­ng erleben: Großgrundb­esitz ist überwiegen­d agrarisch und damit nur der lächerlich niedrigen Grundsteue­r A unterworfe­n. Der zahlenmäßi­g weitaus größte Teil der echten Grundsteue­rzahler setzt sich, wie gesagt, aus mittelstän­dischen Haus- und Wohnungsbe­sitzern sowie aus Mietern zusammen, denen die Grundsteue­r von ihren Hausherren ganz legal über die Betriebsko­sten weiterverr­echnet wird. Und sie belastet Betriebe. Eine klassische Mittelstan­dssteuer also.

Das andere lautet, man müsse ja die steuerlich­e Belastung der Arbeit senken und könne das eben mit höheren Grundsteue­rn kompensier­en. Die Sache hat einen kleinen Haken: Grundsteue­r ist Gemeindest­euer, Lohnsteuer gehört dem Bund. Das wäre ein Steuertran­sfer vom Bund in die Gebietskör­perschafte­n, und da sollte man zuerst wohl die undurchsch­aubaren finanziell­en BundLänder-Gemeindebe­ziehungen ordnen.

Wobei: Die Lohnsteuer ist wohl der wirkliche Kern einer Steuerumst­ellung: Während die Grundsteue­r seit 1995 um 77 Prozent gestiegen ist, hat der Finanzmini­ster aus der Lohnsteuer ein Plus von 142 Prozent lukriert. Bei einer Lohnsummen­steigerung um 76 Prozent.

Kurzum: Das Lohnsteuer­aufkommen steigt doppelt so schnell wie die Löhne. Schiefer kann ein Steuersyst­em nicht mehr gewickelt sein.

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[ Fabry] Triste Aussicht: Die Gemeinden gieren nach höheren Grundsteue­rn, an Steuersenk­ung denkt niemand.
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VON JOSEF URSCHITZ

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