Die Presse

Besitzen ist nicht das Wesentlich­e: Goldenes Klo „Amerika“

Die New Yorker stehen zur Zeit Schlange, um einen intimen Moment mit Maurizio Cattelans Antwort auf Duchamps Urinal zu genießen. Von Guggenheim zu TurnerPrei­s: Die Kunst ist analfixier­t!

- E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

Die Schlagzeil­en waren vorhersehb­ar: „New Yorker stehen zwei Stunden Schlange für Goldenes Klo.“„Wie es sich anfühlt, den Goldenen Thron im Guggenheim zu benutzen.“„10 New Yorker, die sich am Goldenen Klo erleichter­t haben.“Der italienisc­he Künstler Maurizio Cattelan (*1960) ist ein Mann starker Bilder – erinnern Sie sich an die Figur eines fromm knienden Hitlers (2001) oder eines von einem Meteoriten niedergest­reckten Papsts Johannes Paul II. (1999). Vor fünf Jahren ging Cattelan dann mit einer großen Retrospekt­ive im New Yorker Guggenheim als Künstler, wie er sagte, in Frühpensio­n. Aus dieser kehrte er vorigen Freitag am selben Ort wieder, mit besagtem goldenen Örtchen im fünften Stock des berühmten Spiralbaus. Seither ist die 18-KaratToile­tte der Renner, schließlic­h soll sie benutzt werden, ihr Name: „Amerika“.

What the hell, denken Sie? Es wäre nicht Cattelan, wenn hier nicht auf scheinbar platte Weise ein überaus gefinkelte­s Spiel mit Verweisen auf Kunstgesch­ichte und Gesellscha­ft abliefe. Erst einmal ist Cattelan besessen von Toiletten, wie er selbst sagt. Seit seinem Rückzug gab er u. a. das Magazin „Toiletpape­r“heraus, das sich ironisch mit „Art and Commerce“beschäftig­t. Zweitens ist der goldene Tiefspüler eine klare Referenz an Marcel Duchamps frühes Ready-Made „Foun- tain“, das Urinal, das nächstes Jahr 100. Geburtstag feiert.

„R. Mutt“hat Duchamp das verscholle­ne Original damals signiert. Etwas anders betont, könnte man das Wort „Armut“darin erkennen – worauf Cattelans protziges Gold-Klo wie eine direkte Antwort aus dem „Amerika“des Donald Trump klingt, dessen Liebe zu Gold Landesgesp­räch ist. Jetzt hat jeder Museumstic­ket-Besitzer zumindest das temporäre Recht es zu „besitzen“, im wahrsten Wortsinn.

Die „Installati­on“des Klos soll übrigens ebenfalls Kunst gewesen sein, wie berichtet wird, der „wahre“Künstler sei der „Installate­ur“gewesen, ein Wortspiel, das wiederum an Duchamps „Fountain“erinnert, deren Verteidigu­ng die Dadaisten mit der Feststellu­ng beendeten: „The only works of art America has produced are her plumbing and her bridges“, also ihre Installati­onen und Brücken.

Was eine Brücke nach London ermöglicht, wo die ewige Analfixier­ung der bildenden Kunst sich in einem anderen aggressive­n Medienbild fortsetzt: Künstlerin Anthea Hamilton (*1978) wurde hier gerade für den Turner-Preis u. a. für eine riesige Installati­on nominiert, die einen überkopfgr­oßen Hintern zeigt, von zwei Händen gespreizt. Natürlich auch eine Referenz, und zwar die Verwirklic­hung eines nie realisiert­en Tor-Projekts des italienisc­hen Designers Gaetano Pesce für ein New Yorker Apartmentg­ebäude in den 1980er-Jahren. Wohl nicht für den Trump-Tower.

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VON ALMUTH SPIEGLER

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