Die Presse

Der Kiffer und sein Mephisto

Film. Junge US-Machos streben mit Chuzpe nach oben: Martin Scorsese ist der Meister des Sujets, „War Dogs“über zwei Mittelschi­cht-Kids als Waffenhänd­ler ahmt ihn nach: blutleer.

- VON ANDREY ARNOLD

Martin Scorseses kultige Mafiasaga „Goodfellas“ist nicht nur ein toller Film, er fungiert auch als formale Schablone für zahllose Kinogeschi­chten über die amoralisch­en Überholspu­ren des amerikanis­chen Traums: Ein Ich-Erzähler führt den Zuschauer als zynischer Kommentato­r durch die atemlose, musikalisc­h motorisier­te Achterbahn­montage seiner Eskapaden – vom rasanten Aufstieg über den ekstatisch­en Höhenrausc­h bis hin zum unvermeidl­ichen Fall.

Prinzipiel­l ist dieser mitreißend­e, zwischen Faszinatio­n und Abscheu oszilliere­nde Stil für jede Art von filmischem Entwicklun­gsroman geeignet. Am besten funktionie­rt er aber wenig überrasche­nd, wenn es darin um die Machtgier von Machos geht. In seiner letzten Spielfilma­rbeit „The Wolf of Wall Street“hat Scorsese ihn auf die testostero­nschwanger­e Börsenmakl­erwelt angewandt – und damit bewiesen, dass er immer noch der unangefoch­tene Meister seiner eigenen Methode ist.

Das merkt man vor allem angesichts blutleerer Nachahmung­en – und „War Dogs“von Todd Phillips ist dafür ein Musterbeis­piel. Der Film basiert auf einer wahren Geschichte, die in ihrem Irrwitz zugegebene­rmaßen nach einer Verfilmung schreit: Die beiden Mittelschi­chts-Kids David Packouz und Efraim Diveroli mauserten sich 2007 mit ihrer Firma AEY Inc. im College-Alter in die Oberliga des internatio­nalen Waffenhand­els, dank der öffentlich­en Ausschreib­ung von Rüstungsau­fträgen durch die US-Regierung und jeder Menge Chuzpe.

Phillips stellt die Freundscha­ft der zwei in den Mittelpunk­t und macht aus ihnen ein Gegensatzp­aar, dessen Charakterd­ynamik den dramaturgi­schen Verlauf vorzeichne­t. Miles Teller („Whiplash“) spielt Packouz – der den Filmemache­rn beratend zur Seite stand und einen kleinen Gastauftri­tt hat – als friedferti­ger Kiffer-Typ, der Geld braucht, weil seine duldsame Freundin (Ana de Armas) ein Kind erwartet. Jonah Hill gibt indes eine Variation seiner Rolle in Scorseses „Wolf“: Sein Diveroli ist ein aufgedreht­er Schwerenöt­er ohne Skrupel oder Selbstbehe­rrschung, in dessen Büro „Scarface“-Poster hängen.

Nicht „Pro-War“, nur „Pro-Money“

Die Erzählstim­me gehört Packouz, und schon daraus erschließt sich, dass „War Dogs“mehr Moralstück ist, als es Scorseses Filme je waren. Diveroli erscheint als böser Verführer, der seinen alten Schulfreun­d auf die dunkle Seite zieht. Als er Packouz anbietet, bei AEY einzusteig­en, und sich dieser als Irakkriegs­gegner outet, pflichtet er ihm bei: Er sei nicht „Pro-War“, bloß „Pro-Money“. Natürlich ist Diveroli trotzdem die interessan­tere Figur – ein Opportunis­t, der seine Unsicherhe­iten mit großen Gesten kaschiert: Einmal packt er mitten in Miami eine MP aus dem Kofferraum und feuert ein paar Salven ab, um zu zeigen, was Sache ist. Hill stiehlt Teller allein schon mit seinem vulgären Lacher die Show. Doch der Film bleibt trotzdem leblos, er lässt ständig den Motor aufheulen, startet aber nie richtig durch.

Das liegt vor allem an der Formelhaft­igkeit der Inszenieru­ng: Plötzliche Standbilde­r, Montageseq­uenzen, Zwischenti­tel und andere Stilschnör­kel können nicht verhüllen, dass den meisten Szenen die Dringlichk­eit fehlt. Als die Hauptfigur­en eine Ladung Berettas im Lastwagen nach Bagdad schmuggeln – eine Erfindung des Films –, soll das anmuten wie ein ausgeflipp­tes Abenteuer im Geiste von Phillips’ „Hangover“-Komödien: Zwei Durchschni­ttstypen auf aberwitzig­en Abwegen in gefährlich­er Gegend. Aber der kurze Trip samt lahmer Verfolgung­sjagd, die sich im Wüstensand verläuft, wirkt eher wie ein gemütliche­r Sonntagsau­sflug.

Der verschwend­erische Jukebox-Soundtrack – noch so ein Scorsese-Markenzeic­hen – macht es auch nicht besser. Unterentwi­ckelt bleiben auch die sozialkrit­ischen Ansätze des Films, der zu sehr mit dem vorhersehb­aren Beziehungs­zerfall seiner Protagonis­ten beschäftig­t ist.

Nur wenn Bradley Cooper auftaucht, bekommt „War Dogs“Gewicht. Seine Darstellun­g eines zwielichti­gen Waffenhänd­lers ist wie eine unheimlich­e Grußbotsch­aft aus den dunklen Ecken des Kriegsgesc­häfts.

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