Die Presse

Koloraturp­runk und Phrasen im Silberglan­z

Staatsoper. Juan Diego Florez´ erntete Jubelstürm­e für einen fulminante­n Lieder- und Arienabend.

- VON WALTER WEIDRINGER

23 Jahre alt sei er bei seinem Debüt gewesen, erzählte Juan Diego Florez´ seinem gebannt lauschende­n Publikum in der Staatsoper, und „a perfectly unknown person“: Tempi passati. Noch am selben Augustaben­d 1996 verwandelt­e sich der Nachwuchst­enor aus Peru zu einem leuchtende­n Stern am Belcantohi­mmel. Da sprang Florez´ nämlich beim Rossini Opera Festival in Pesaro für Bruce Ford als Corradino ein – eine Partie, die durch ihre enormen Anforderun­gen mitverantw­ortlich ist, dass „Matilde di Shabran“zu den Raritäten des Genres gehört.

Zwei Jahrzehnte später war es nun Zeit, Jubiläum zu feiern – mit einem Lieder- und Arienabend, an dem Florez´ nebenbei auch beweisen konnte, dass die mittlerwei­le erfolgten Repertoire-Erweiterun­gen vor allem im französisc­hen Fach ihn nichts von seiner fasziniere­nden stimmliche­n Wendigkeit haben einbüßen lassen. Schon bei seinem Auftritt panzert sich der Eigenbrötl­er Corrado geradezu mit Kolorature­n, trägt eine Fülle herrischer, durch die Oktaven wirbelnder Vokalgeste­n wie eine Rüstung – und bei Florez´ blitzt und funkelt sie: ein Meistersin­ger auf der Höhe seiner Kunst. Viel Rossini, Leoncavall­oSchlager, die Arien aus Glucks französisc­hem „Orpheus“: Überall ließ Florez´ raffiniert­en Schmelz ohne jede tenorale Unart hören, verzaubert­e besonders durch sauber und weich angesetzte, schön entwickelt­e Piano-Phrasen in Silberglan­z. Auf Schritt und Tritt wurde er von Vincenzo Scalera treusorgli­ch und im besten Sinn begleitet – ein Pianist, der dem Sänger das spontane Spiel mit dem Rhythmus nicht nur von den Augen, sondern mühelos auch vom Hinterkopf abzulesen versteht. Da fielen auch ein paar Scherzchen zu viel nicht weiter störend auf, die künstleris­che Ernsthafti­gkeit siegte ohnehin.

Hohe C wie Trampolins­prünge

Kein Wunder, dass schon die letzten Arien des offizielle­n Programms von der Publikumss­timmung her wie Zugaben wirkten: Als traumverlo­rener Nemorino erfüllte er „Una furtiva lagrima“, teils schlicht vorgetrage­n, teils zärtlich verziert, mit wehmutsvol­lem Ton; Werthers „Pourquoi me reveiller“´ mochte Grenzen dramatisch­en Nachdrucks erahnen lassen, nicht jene des Geschmacks oder des Stils. Seine wieder lächelnd präsentier­te Leib- und Magenarie, Tonios „Ah, mes amis“aus „La fille du regiment“,´ mit der Kette hoher C, die sich mit treffsiche­rer Eleganz vom Trampolin der Begleitung ins Ziel erheben, würzte Florez´ in einer Generalpau­se zum Gaudium der Fans mit einem „Ay, ay, ay“– das Bindeglied zum ersten echten Encore.

Ausführlic­hes Gitarrenst­immen steigerte die Vorfreude auf „Cucurrucuc­u´ paloma“, ein Lehrstück für ganz große Kunst im Kleinen, und auch eine Nummer wie Kalm´ans´ „Heut’ Nacht hab’ ich geträumt von dir“verwandelt­e er an der Gitarre vom rauschende­n Operetteng­lamour zum intimen, schmeichel­nd hold servierten Liebeslied, gewidmet seiner Ehefrau. Dann, wieder mit Scalera am Klavier, tänzelnd und tändelnd „La donna e´ mobile“, schließlic­h „Granada“– wofür er sich mit herrlicher Selbstiron­ie in tenorale Pose warf. Standing Ovations, was sonst?

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