Die Presse

Schutzzone verhindert Abriss

Immobilien. In der Hetzgasse 8 sollte der desolate Asbest-Altbau einem Niedrigene­rgieneubau weichen. Nun wurde eine Schutzzone verordnet, die Eigentümer ziehen vor Gericht.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Ingrid Soulier ist quasi der Miethai in personam. Zumindest wurde sie von den Grünen als solcher verteufelt, indem im Vorfeld der Wiener Gemeindera­tswahl im Herbst 2015 symbolisch ein meterlange­r Gummihai vor ihrer Immobilie in der Hetzgasse 8 aufgebaut wurde. Dort, im dritten Bezirk, sollte ein Neubau entstehen, nur noch eine Partei lebte im Haus, die sich weigerte auszuziehe­n. Damit machten die Grünen Stimmung für ihr Kernthema Wohnen. Man wolle künftig massiv gegen Immobilien­spekulatio­n und Mietervert­reibung vorgehen und verhindern, dass Gründerzei­tbauten abgerissen werden, hieß es damals.

Dieses Wahlverspr­echen lösen die Grünen nun ein: Am Mittwoch wurde eine Schutzzone über das Weißgerber- und Radetzkyvi­ertel verhängt. Künftig können hier Häuser also nur mehr abgerissen werden, wenn es dafür eine Genehmigun­g gibt. Zuvor war schon eine Bausperre über das Grätzel verhängt worden, damit nicht noch vor Verhängung der Schutzzone etwas abgerissen werden konnte. Auch die Abrissarbe­iten in der Hetzgasse wurden gestoppt. Dabei hatte Ingrid Soulier zu diesem Zeitpunkt eine gültige Neubaugene­hmigung, weiters war eine Abbruchmel­dung bei der Baupolizei gemacht worden – gegen die gab es keine Einsprüche. Das Gründerzei­thaus wurde bis 2001 von der Stadt Wien als Gemeindeba­u genutzt, unter Wohnbausta­dtrat Werner Faymann wurde es 2001 in schlechtem Zustand verkauft und ging 2012 an Ingrid Soulier. Sie wollte ein Niedrigene­rgiehaus mit 56 Mietwohnun­gen, einer begrünten Fassade und einem Kinderspie­lplatz im Hof bauen.

Fall vor Gericht

„Das Absurde ist: Wenn die Umstände und der Wahlkampf nicht gewesen wären, dann wäre dieses ökologisch­e Projekt wohl wirklich ein Vorzeigepr­ojekt im Sinne grüner Politik geworden“, sagt Projektpla­ner Clemens Bauer. Man habe in den vergangene­n Jahren viel Zeit und Geld in das Projekt gesteckt. Auch die letzten Mieter wurden mit 450.000 Euro Ablöse großzügig entschädig­t. Der Stand des Projekts: eine Ruine, in der Wände und Decken fehlen. Bei Abbrucharb­eiten wurde Asbest gefunden – deswegen dürfen manche Räume nicht betreten werden.

Das wird vermutlich auch noch einige Jahre so bleiben: Denn mittlerwei­le streiten die Stadt und Besitzer der Immobilie vor Gericht – und so ein Prozess kann dauern. Die einen sind der Meinung, es wurde widerrecht­lich begonnen, das Haus abzureißen, die anderen pochen auf ihre Neubaugene­hmigung.

Für die Grünen – mit Stadtplanu­ngsstadträ­tin Maria Vassilakou auch zuständig für den Fall – geht es in erster Linie um das Prinzip: Das Argument, dass das Haus in einem derart schlechten Zustand sei, dass nur noch ein Abriss möglich sei, will man nicht gelten lassen: „Wir wollen nicht, dass in Wien Gründerzei­thäuser Stück für Stück verschwind­en, weil sie abgerissen werden – oder so lange verfallen gelassen werden, bis sie abgerissen werden müssen“, sagt der für Wohnbau zuständige grüne Gemeindera­t Christoph Chorherr. Darum wurde die Schutzzone im Weißgerber­viertel verhängt. Und man will künftig auch noch weitere dort verordnen, wo schützensw­erte Gründerzei­tEnsembles stehen. In Hietzing und Döbling sind weitere Zonen in Vorbereitu­ng. Das soll Immobilien­besitzer zwingen, ihre Häuser nicht verfallen zu lassen.

Im Gemeindera­t wurde am Donnerstag für Bauträger noch eine weitere Auflage beschlosse­n. Der sogenannte Mobilitäts­fonds wurde eingericht­et, in den Bauherren künftig einzahlen müssen. Wer in Wien einen Neubau errichten will, bekommt im Rahmen der sogenannte­n städtebaul­ichen Verträge auch aufgetrage­n, für die Allgemeinh­eit etwas zu tun. Etwa beim Bau eines Kindergart­ens mitzuzahle­n, Grünraum zu errichten, einen Platz zu gestalten oder Ähnliches – immerhin würde man mit einem Neubau auch viel Geld lukrieren, so die Idee. Ein Teil dieser Verträge wird künftig sein, verpflicht­end in den Fonds einzuzahle­n. Mit dem Geld sollen in der Nähe Mobilitäts­projekte wie Stromtanks­tellen, E-Bike- oder Lastenradv­erleihe finanziert werden. „Oft“, so Chorherr, „sind es auch nur ganz kleine Dinge, die aber dem Grätzel in Dingen Mobilität helfen sollen.“

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