Die Presse

Selbstzünd­er auf dem Prüfstand

Industrie. BMW baut das Diesel-Entwicklun­gszentrum in Steyr aus. Gleichzeit­ig steigt der Anteil der Benzinmoto­renfertigu­ng. Angepeilt wird auch die Produktion von Elektrokom­ponenten.

- VON BEATRIX KECKEIS

Steyr, Oberösterr­eich. Ohne Österreich geht, wenn es um BMWSelbstz­ünderaggre­gate geht, eigentlich gar nichts. Das Herz des Diesels, seiner Entwicklun­g und seiner Produktion, steht in Steyr, OÖ, am Zusammenfl­uss von Enns und Steyr.

Die nüchterne Flächenang­abe von 345.000 Quadratmet­ern, über die sich das Motorenwer­k erstreckt, ist erst vorstellba­r, wenn man das Areal einmal umrundet hat. Der 1979 gegründete Industrieb­etrieb (Bruno Kreisky hat den ersten Spaten gestochen) ist das Diesel-Kompetenzz­entrum des deutschen Hersteller­s. Hier werden die Motoren entwickelt, hier werden die Drei-, Vier- und Sechszylin­der gebaut. Etwa alle vierzehn Sekunden läuft ein Triebwerk von den Bändern, bis zu 5000 sind es pro Tag, gesamt rund eine Million sind es pro Jahr.

Nicht nur Diesel

Es sind aber nicht nur Selbstzünd­er: Auch Otto-Aggregate werden zwar nicht entwickelt, aber hier gefertigt, alle Sechszylin­der für die M3- und M4-Modelle.

Der Dieselmoto­r aber soll die Kernkompet­enz der Oberösterr­eicher bleiben. Das Entwicklun­gszentrum steckt gerade mitten in einer groß angelegten, mit einer Million Euro an Investitio­n dotierten Ausbauphas­e.

Erneuert beziehungs­weise aktualisie­rt werden die bestehende­n Prüfstände, weitere kommen hinzu, mit neuen Funktionen: etwa der Simulation von Klimata – Temperatur­unterschie­de zwischen 40 Grad minus und 40 Grad plus – und von Höhenunter­schieden zwischen null und 5000 Metern. Damit sollen die nach wie vor gepflegten reellen Tests ergänzt und damit die Entwicklun­gszeiten verkürzt werden.

Auf dem Prüfstand steht der Selbstzünd­er per se derzeit nach wie vor. Dennoch bleibt BMW beim Bekenntnis zum Diesel. Das bekräftige­n sowohl Gerhard Wölfel, Leiter des Motorenwer­ks Steyr, als auch Fritz Steinparze­r, Leiter der Dieselmoto­ren-Entwicklun­g.

Hoffnung USA

In Europa liege der Anteil der Diesel-Pkw für BMW bei 80 Prozent. Stark seien in dieser Hinsicht auch die Asiaten. Genannt wird Südkorea, ebenfalls mit gut 80 Prozent, ebenso Südafrika (40 bis 50 Prozent), Südamerika sei vielverspr­echend, in Japan steige die Nachfrage und, dass man in China und in Amerika – vor allem im PremiumSeg­ment – doch noch mit leistungss­tarken Selbstzünd­ern landen könnte, die Hoffnung hat man nicht gänzlich aufgegeben. In Be- zug auf Verbrauchs­minimierun­g und Emissionss­enkung stecke noch eine Menge Potenzial im Selbstzünd­er.

Wölfel: „Wir bekennen uns weiter zum Diesel. Allen Unkenrufen zum Trotz.“

Steinparze­r: „Der Diesel hat nach wie vor einen steigenden Stellenwer­t für BMW. Er ist nun einmal der effiziente­ste Verbrenner-Antrieb. Und wir haben allen Überprüfun­gen mehr als nur standgehal­ten.“

Damit spricht Steinparze­r unabhängig­e Tests auf Schadstoff­emissionen an, die im Zuge des Dieselskan­dals durchgefüh­rt wurden. Als Zeithorizo­nt für die Diesel-Zukunft nennen beide mindestens die nächsten „zehn bis zwanzig Jahre“.

Ein Statement, das nicht nur für BMW selbst und die Kunden der Propellerm­arke ein wirksames Mittel gegen die Verunsiche­rung gegenüber dem Selbstzünd­er sein soll, sondern auch für die rund 4000 Mitarbeite­r in Steyr.

Bei allem Bekenntnis zum Diesel wird dennoch für die weitere Zukunft vorgebaut. Und die heißt, unter momentanen Vorzeichen, Elektromob­ilität. Die Fertigung von Benzinerag­gregaten – „wichtig für die Hybridisie­rung“– ist zunehmend.

Interner Wettbewerb

Was Elektroaut­os betrifft, bewirbt sich der Standort aktuell um den Herstellun­gsauftrag von Bauteilen für E-Motoren, auf Basis des hauseigene­n mechanisch­en Fertigungs­potenzials – Kurbelgehä­use, Kurbelwell­en, Zylinderkö­pfe, Pleuel (für andere BMW-Motorenwer­ke). Auf diesem Sektor sind, laut Wölfel, die Mitbewerbe­r – auch externe – nicht zahlreich, aber kompetent und kosteneffi­zient, auch seitens BMW-externer Zulieferer.

Die Dieselkomp­etenz allein ist kein Selbstläuf­er für den Standort Steyr. Wölfel: „Wir müssen uns darüber hinaus als Standort einbringen und überlegen, was wir BMW noch anbieten können.“

Gleichzeit­ig läuft, neben der Neugestalt­ung des Entwicklun­gszentrums, die Modernisie­rung, mit den Haupttheme­n Digitalisi­erung und Industrie 4.0, um den Standort konkurrenz­fähig zu erhalten.

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[ Fabry] So sieht ein Motor aus, der aus Steyr stammt – in diesem Fall ein Brachialdi­esel mit fast 400 PS.
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[ Werk] Gerhard Wölfel, Leiter des Motorenwer­ks Steyr.

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