Sozial nach der Idee des Christentums eben
Nach all den Ätzereien, denen wir Österreicher wegen der Wahlwiederholungen ausgesetzt waren, nach all der Häme, die uns kübelweise übergestülpt wurde, erreichte uns der „Presse“-Kommentar von Thomas Chorherr.
Die zum Teil entbehrlichen Schwarzmalereien nonchalant beiseiteschiebend, outete sich Chorherr als österreichischer Patriot, als Schreiber, der sein Vaterland liebt und daher imstande ist, ihm bürokratische (und andere) Blödheiten nachzusehen.
Ja, geschätzter Herr Chorherr, Ihre Landsleute benötigen ab und zu solche Kommentare. Besonders in Zeiten, da Spott und Hohn den Blick auf das Wesentliche verstellen: Österreich ist eines der wohlhabendsten, sichersten und schönsten Länder der Welt. Und ein paar Hochgebildete soll es hier auch noch geben. Wenn eine Dep- penschar etwas versemmelt, steht beileibe nicht ganz Österreich am Pranger. Das vermittelt zu haben, ist Chorherrs patriotisches Verdienst. Danke. „Winklers Replik: Der Mief des Ressentiments“, Leserbrief von Armin Thurnher, 23. 9. Contradictio in adiecto? Widerspruch in sich? Der Gedankengang des Armin Thurnher ist der des dialektisch bestens Geschulten: Er spricht seinem Kontrahenten die gedankliche Schärfe ab und wirft ihm Ressentiments vor. Dabei ackert er selbst tief im Feld der üblichen Ressentiments der Linken. Das erspart das Denken.
So kommt es, dass die Begriffe „christlichsozial“und „Kapitalismus“als Gegensatzpaar hingestellt werden. Was sie per definitionem gar nicht sein können, weil sie sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen bewegen. Wollen wir hoffen, dass Armin Thurnher den Begriff christlichsozial nicht mit Absicht missversteht. Er lebt wie die meisten von uns sehr gern in einer politischen Welt, die möglichst wenig bevormundet, die viel Platz für Eigeninitiative – auch wirtschaftlicher Art – lässt. Eine Welt, die jedem Individuum die Freiheit lässt, sich für das Gute oder das Böse zu entscheiden. Mit Luft nach oben, sich zu bessern. Sozial nach der Idee des Christentums eben.