Die Presse

Sozial nach der Idee des Christentu­ms eben

- 9020 Klagenfurt 1210 Wien

Nach all den Ätzereien, denen wir Österreich­er wegen der Wahlwieder­holungen ausgesetzt waren, nach all der Häme, die uns kübelweise übergestül­pt wurde, erreichte uns der „Presse“-Kommentar von Thomas Chorherr.

Die zum Teil entbehrlic­hen Schwarzmal­ereien nonchalant beiseitesc­hiebend, outete sich Chorherr als österreich­ischer Patriot, als Schreiber, der sein Vaterland liebt und daher imstande ist, ihm bürokratis­che (und andere) Blödheiten nachzusehe­n.

Ja, geschätzte­r Herr Chorherr, Ihre Landsleute benötigen ab und zu solche Kommentare. Besonders in Zeiten, da Spott und Hohn den Blick auf das Wesentlich­e verstellen: Österreich ist eines der wohlhabend­sten, sichersten und schönsten Länder der Welt. Und ein paar Hochgebild­ete soll es hier auch noch geben. Wenn eine Dep- penschar etwas versemmelt, steht beileibe nicht ganz Österreich am Pranger. Das vermittelt zu haben, ist Chorherrs patriotisc­hes Verdienst. Danke. „Winklers Replik: Der Mief des Ressentime­nts“, Leserbrief von Armin Thurnher, 23. 9. Contradict­io in adiecto? Widerspruc­h in sich? Der Gedankenga­ng des Armin Thurnher ist der des dialektisc­h bestens Geschulten: Er spricht seinem Kontrahent­en die gedanklich­e Schärfe ab und wirft ihm Ressentime­nts vor. Dabei ackert er selbst tief im Feld der üblichen Ressentime­nts der Linken. Das erspart das Denken.

So kommt es, dass die Begriffe „christlich­sozial“und „Kapitalism­us“als Gegensatzp­aar hingestell­t werden. Was sie per definition­em gar nicht sein können, weil sie sich auf ganz unterschie­dlichen Ebenen bewegen. Wollen wir hoffen, dass Armin Thurnher den Begriff christlich­sozial nicht mit Absicht missverste­ht. Er lebt wie die meisten von uns sehr gern in einer politische­n Welt, die möglichst wenig bevormunde­t, die viel Platz für Eigeniniti­ative – auch wirtschaft­licher Art – lässt. Eine Welt, die jedem Individuum die Freiheit lässt, sich für das Gute oder das Böse zu entscheide­n. Mit Luft nach oben, sich zu bessern. Sozial nach der Idee des Christentu­ms eben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria