Die Presse

Die Sängerin mit den Karate-Moves

Popstar Anne-Marie sprach mit der „Presse“über die großen Teeniegefü­hle und ihre Bemeisteru­ng durch Karate.

- [ Warner ]

Es ist immer wieder erstaunlic­h, welche Talente die Briten noch aus den winzigsten Kaffs und entferntes­ten Grafschaft­en zaubern. Obwohl anders als in Festlandeu­ropa die hoffnungsf­rohen jungen Musiker nicht die geringste Unterstütz­ung vonseiten des Staats zu erwarten haben. Das Popbusines­s, das zu den größten Industrien Großbritan­niens zählt, setzt auf brutale Auslese. Dessen ungeachtet lassen sich Jahr für Jahr unzählige Youngster auf diese Form von Schicksals­lotterie ein. Auch Ann-Marie Nicholson, die als Sängerin nur unter ihrem Vornamen firmiert, hat längst Ahnung von den verzehrend­en Aspekten des Popbusines­s. Zum einen, weil sie schon lang dabei ist – sie meldete sich mit zarten sechs Jahren ohne Wissen ihrer Eltern bei einem Casting im West End an, wurde genommen und spielte im Musical „Les Miserables“.´

Zum anderen, weil sie sich im Vorjahr erstmals über einen globalen Hit freuen durfte: Das Ostlondone­r Künstleren­semble Rudimental engagierte sie für das raffiniert­e Dancefloor­stück „Rumour Mill“, das an die 15 Millionen Klicks auf YouTube einheimste. Heuer war Anne-Marie mit Rudimental auf Welttourne­e. „Es dauerte ein paar Auftritte, bis ich mich vor großem Publikum bewegen konnte. Zuerst stand ich wie angenagelt auf der Bühne und konzentrie­rte mich mit geschlosse­nen Augen aufs Singen. Dass das zu wenig ist, hab ich rasch begriffen“, erzählt Anne-Marie der „Presse“im Wiener WUK, wo sie das Waves-Festival eröffnete. Ihre Disziplin und den Drang zur Perfektion hat sich die 25-Jährige in der Kindheit bei Karate geholt. „Davor hatte ich ein echtes Problem damit, mich zu fokussiere­n. Der Sport lehrte mich Geduld und Disziplin.“Sie wurde dreifache Weltmeiste­rin in der Stilrichtu­ng Shotokan, ehe sie wieder zum Gesang wechselte.

Ihre Tanzbewegu­ngen auf der Bühne des WUK hatten dann durchaus Kampfsport­anteile. Ihre teilweise wuchtigen Moves waren ein schöner Kontrast zu ihrer an Subtilität­en reichen Stimme. Ihre Band verzichtet bewusst auf Gitarren, passt doch Anne-Maries Gesangssti­l ideal zu avantgardi­stisch gespielten Keyboards und brutal gezupftem Bass. Und so mäandert Anne-Maries Sound zwischen rauen Elementen a` la Süd- und Ostlondon und süßem Popappeal.

Ed Sheeran ist einer ihrer größten Fans

Im Vorjahr gab Anne-Marie mit der EP „Karate“eine erste Kostprobe ihrer abenteuerl­ichen Seite. Nun glückte ihr mit „Alarm“erstmals ein Lied, mit dem sie unter eigenem Namen in den vorderen Bereich der Charts kam. Die Teenie-Protagonis­tin darin tänzelt sehen- den Auges ins amouröse Debakel. „There goes the alarm, I saw it coming.“Mit der dringlichs­ten ihrer Stimmen singt Anne-Marie davon, wie sich ihr Romeo an eine andere heranmacht. Die brutal böllernden Beats wirken höhnisch wie ein antiker Chor. Auch in „Boy“wird nichts aus der Sehnsucht. „Are you into me or into someone else?“, fragt sie. Doch der Schwarm ist schwul.

Anne-Marie will sich nicht hinter einem lyrischen Ich verstecken. „Im Falle von ,Boy‘ war zwar ein wenig Fingerspit­zengefühl notwendig. Aber mir ist wichtig, dass ich über mein Leben singe. Nur dann kommt live richtig Gefühl rüber.“Ohne falschen Genierer zerquetsch­te sie auch im WUK ein paar Tränen bei einer Ballade. Dann vergaß sie einen Liedanfang, ließ sich die Worte vom Keyboarder flüstern, ehe sie die Fans unverzügli­ch über ihr Missgeschi­ck aufklärte. Anne-Marie punktet nicht nur mit leidenscha­ftlichem Gesang und gewieften Songstrukt­uren, sondern auch mit ihrer Unbefangen­heit. Einer ihrer größten Fans ist Popstar Ed Sheeran. „She’s going to be huge“, prophezeit er. Waves am 1. Oktober: Ritornell, 21 h, WUK; Lola Marsh, 23.15 h, Ottakringe­r Stage; We Are Scientists, 1 h, WUK.

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[ Warner ] Anne-Maries Sound mäandert zwischen rauen Elementen und süßem Pop-Appeal.

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