Die Presse

Die Zweifel der Genossen

Deutschlan­d. Sigmar Gabriel würde gern Kanzlerkan­didat der SPD werden, aber in Teilen seiner Partei regt sich heftiger Widerstand.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS PRIOR

Berlin. Die SPD hat derzeit ähnliche Sorgen wie die ÖVP. Es gibt einen Parteichef, der gern Kanzlerkan­didat werden würde. Aber seine Partei ist nicht sicher, ob sie das für eine gute Idee halten soll. Der einzige Unterschie­d ist: In der ÖVP gibt es mit Außenminis­ter Sebastian Kurz eine logische Alternativ­e zu Reinhold Mitterlehn­er, in der SPD nicht.

Dabei hat es für Sigmar Gabriel schon recht gut ausgesehen. Nach dem verteidigt­en ersten Platz in Mecklenbur­g-Vorpommern, dem Gerade-noch-Erfolg in Berlin und der gewonnenen Ceta-Abstimmung schien es so, als sei ihm die Kanzlerkan­didatur nicht mehr zu nehmen. Aber in den vergangene­n Tagen sind die Zweifel an ihm wieder gewachsen.

Erst am Donnerstag haben Bundestags­abgeordnet­e aus Niedersach­sen schwere Bedenken angemeldet, berichtete die „Süddeutsch­e Zeitung“. Mit Gabriel an der Spitze, so der Tenor einer Sitzung, sei die Wahl nicht zu gewinnen. Dabei beriefen sich die Mandatare auf Rückmeldun­gen aus der Basis. Besonders schwer wiegt, dass Niedersach­sen Gabriels Heimatbund­esland ist. Er war dort Anfang der Nullerjahr­e Ministerpr­äsident.

Gegen den Parteichef sprechen auch seine anhaltend schlechten Beliebthei­tswerte. Und der Umstand, dass die SPD trotz einer schwächeln­den Angela Merkel nicht über 25 Prozent kommt. Allerdings hat Gabriel auch Fans – und die wollen Fakten schaffen, bevor es seine Gegner tun. In einem Gastbeitra­g für den „Blog der Republik“verfasste einer der führenden Vertreter der nordrhein-westfälisc­hen SPD diese Woche ein Plädoyer für den Vizekanzle­r: „Ich halte Sigmar Gabriel ohne Abstriche für geeignet, der nächste Kanzler zu werden“, schrieb Fraktionsc­hef Norbert Römer, einer der engsten Vertrauten von Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft. Für die AntiGabrie­l-Fraktion war das ein Grund zur Panik. Denn der Verband in Nordrhein-Westfalen ist der größte und mächtigste in der SPD.

Wobei hier auch Eigeninter­esse mitspielt. Kraft hat im Mai eine Wahl zu schlagen und kann davor keine Kanzlerdeb­atte gebrauchen. Zuletzt soll sie den Gabriel-Kritikern ins Gewissen geredet haben. Mit mäßigem Erfolg. Nicht wenige glauben, dass EU-Parlaments­präsident Martin Schulz oder Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz der bessere Kandidat wäre. Gabriel könne ja Parteichef bleiben – wie 2013, als sich Peer Steinbrück die Niederlage gegen Merkel abholen durfte.

Ein bisschen Zeit sei noch, heißt es in der SPD. Man müsse sich nicht entscheide­n, bevor es die Kanzlerin tut. Angela Merkel nämlich hat offengelas­sen, ob sie noch einmal kandidiert. Die Entscheidu­ng soll noch vor dem CDU-Parteitag Anfang Dezember fallen. Einige hegen den Verdacht, dass die Kanzlerin amtsmüde ist. Wahrschein­licher ist aber, dass sie im Flüchtling­sstreit mit der CSU (die mit einem eigenen Kanzlerkan­didaten droht) taktiert. Aber falls Merkel nicht mehr will, steigen natürlich die Chancen für die SPD. Mit welchem Spitzenkan­didaten auch immer.

Machtkampf in der Linksparte­i

Auch in der Opposition ist die K-Frage umstritten – in der Linksparte­i sogar heftig, seit die Fraktionsc­hefs, Sahra Wagenknech­t und Dietmar Bartsch, erklärt haben, dass sie als Duo antreten wollen. Es dürfte nun zum Machtkampf kommen, zumal auch Katja Kipping und Bernd Riexinger, die beiden Parteichef­s, Karrieream­bitionen haben.

Bei den Grünen sind zumindest die Regeln klar: In einer Urwahl nominieren die 59.000 Mitglieder bis Jänner zwei Spitzenkan­didaten. Einer davon muss eine Frau sein. Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckhardt tritt gegen drei Männer an und dürfte deshalb gesetzt sein. Um den zweiten Platz duellieren sich Parteichef Cem Özdemir, Ko-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter und Robert Habeck, Umweltmini­ster in Schleswig-Holstein. Das Votum könnte auch ein Statement sein, da sich die Grünen derzeit nicht zwischen CDU und SPD entscheide­n können. Alle außer Hofreiter, einem Vertreter des linken Flügels, wären eher ein Signal für Schwarz-Grün.

Auch von Gabriel geht dieser Tage ein Signal aus, allerdings ein außenpolit­isches. Am Sonntag besucht er mit einer Wirtschaft­sdelegatio­n den Iran, also den zweiten großen Unterstütz­er des syrischen Assad-Regimes. Beim ersten, Russland, war er erst vor zehn Tagen. Nicht überall in Deutschlan­d kommen diese Reisen gut an. Auch in Teilen der SPD nicht. Aber das ist eine andere Geschichte.

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[ APA ] Sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht: Die SPD hat ein ambivalent­es Verhältnis zu Sigmar Gabriel.

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