Die Presse

„Wo sind die Erben Peres’?“

Staatsbegr­äbnis. Obama, Hollande & Co. nahmen Abschied von Israels letztem Gründervat­er. Amos Oz hielt ein flammendes Plädoyer.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Jerusalem. Solch ein Begräbnis, eine Mischung aus einem Staatsakt und einem Stelldiche­in von Führern aus aller Welt, bei dem zwei US-Präsidente­n ein Loblied auf den letzten Gründervat­er singen, wird Israel gewiss nicht mehr erleben. Die Sonne hatte den Herzlberg in ein mildes Spätsommer­licht getaucht, und überall auf dem Hügel oberhalb Jerusalems erstrahlte überlebens­groß das Konterfei von Schimon Peres in allen Phasen seines beinahe ein Jahrhunder­t umspannend­en Daseins. Trotzdem, so offenbarte Sohn Yoni mit einer Pointe jüdischen Humors, sollte auf Wunsch seines im Alter von 93 Jahren verstorben­en Vater das Diktum auf dem Grabstein prangen: „Zu früh gegangen“.

Ein Geheimnis wollte der Friedensno­belpreistr­äger, ein „political animal“bis zum letzten Atemzug und als solcher nicht frei von Eitelkeit, indes nicht mit ins Grab nehmen. Am Morgen der Beisetzung erschien die „Jerusalem Post“deshalb mit der Enthüllung, Peres habe als Präsident seinen Premier Benja- min Netanjahu von einem Nuklearsch­lag gegen den Iran abgehalten. Ein letzter Coup.

In seiner Würdigung des Staatsmann­s Peres brachte „Bibi“Netanjahu die Differenze­n mit seinem langjährig­en Rivalen auf den Punkt: „Bibi, Frieden ist die beste Sicherheit“, so lautete das Credo von Peres. Netanjahus Replik: „Ohne Sicherheit kann es keinen Frieden geben.“Die beiden Pole bestimmen die Gegenwart Israels.

Ein Zweifamili­enhaus

Den Faden des Nahostkonf­likts nahmen, von einem von Tränen geschüttel­ten Bill Clinton bis zum gewohnt pastoralen Barack Obama, alle Nachredner auf. Sein Lebenswerk sei unvollende­t geblieben, sagte Obama über Peres mit kritischem Unterton. Am authentisc­hsten brachte es aber ein Großschrif­tsteller zum Ausdruck, der Peres aus nächtliche­n Gesprächen als Freund kannte. „Wo sind die Erben von Schimon Peres?“, fragte Amos Oz die 4000-köpfige Trauergeme­inde in seinem flammenden Plädoyer.

Frieden sei möglich, ja, zwingend notwendig, appelliert­e Oz. „Wohin sollten wir denn gehen? Wir haben keine andere Wahl, als dieses Haus in zwei Wohnungen zu teilen – in ein Heim mit zwei Familien. Im tiefsten Inneren wissen wir um diese simple Wahrheit.“Auf arabischer Seite fehlte derweil die Prominenz: Jordaniens König und Ägyptens Präsident ließen sich vertreten. Nur Palästinen­ser-Präsident Mahmud Abbas trotzte der internen Kritik, um seinem Partner und Freund die letzte Ehre zu erweisen.

Während die Staatsgäst­e die Gelegenhei­t zum politische­n Small Talk nutzten, während Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures Obama mit verklärtem Blick die Hand schüttelte, während Sebastian Kurz mit Viktor Orban,´ Boris Johnson oder Justin Trudeau plauderte, ging am Herzlberg in einer privaten Zeremonie unter traditione­llen jüdischen Ritualen und dem Trauergebi­et Kaddisch die Bestattung vonstatten. Militärs schaufelte­n Sandsäcke auf den Sarg, und die Ironie wollte es, dass Peres zwischen zwei Rivalen seine letzte Ruhe fand: zwischen seinem Parteifreu­nd Jitzhak Rabin und Jitzhak Schamir, einem langjährig­en politische­n Gegner.

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