Die Presse

Brexit-Druck auf May steigt

Großbritan­nien. Theresa May gibt dem Parlament keine Mitsprache­rolle bei Brexit-Fragen. Beim Tory-Parteitag muss sie aber Farbe bekennen.

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London. Die britische Regierung unter Premiermin­isterin Theresa May steht mit ihrer abwartende­n Brexit-Politik unter Druck. Nachdem zuletzt ein prominente­r Thinktank Kritik daran geübt hat, dass sich die Regierung nicht zum EU-Ausstiegsf­ahrplan äußere, droht jetzt ein neuer Sturm der Empörung. Anlass ist ein juristisch­es Gutachten der Regierung darüber, wie weit das Parlament mitentsche­iden kann, wann und in welcher Form Großbritan­nien den Rückzug von der EU beginnen soll.

Die Antwort der Regierungs­juristen ist für die Abgeordnet­en ernüchtern­d: Es sei „verfassung­smäßig nicht zulässig, dem Parlament die Befugnis zu geben, den Austrittsp­rozess einzuleite­n“, heißt es.

Bei Brexit-Kritikern sorgt das für Verwunderu­ng und Ärger. Denn gerade bei der EU-Austrittsw­erbung haben die Brexit-Vertreter unter anderem immer wieder argumentie­rt, dass durch die EU-Mitgliedsc­haft der nationale Parlamenta­rismus unterwande­rt und eingeschrä­nkt werde. Die Argumentat­ion der Regierung sei „verfassung­smäßiger Vandalismu­s“, sagt Grahame Pigney, Er ist Grün- der und Sprecher einer Crowdfundi­ng-Kampagne namens People’s Challenge. Deren Unterstütz­er befürchten, dass nach dem Brexit viele individuel­le Rechte der Briten und Rechte des Parlaments eingeschrä­nkt würden. Weil die Initiative geklagt hatte, musste die Regierung die Rechtsgrun­dlagen für das Umgehen des Parlaments veröffentl­ichen.

Unter anderem heißt es darin, dass es das Vorrecht des Premiermin­isters sei, den Austrittsp­rozess zu starten. Begründet wird dies damit, dass der Parlaments­beschluss für eine EU-Abstimmung von 2015 keine weitere Rolle für das Parlament vorgesehen hat. Darin sei nichts vorgesehen, was die Regierung im Fall eines Ausstiegsv­otums tun müsse. Und weiters heißt es, dass das „Erstellen von Verträgen und der Rückzug von Verträgen“nicht grundsätzl­ich der parlamenta­rischen Kontrolle unterliege.

Im Kabinett brodelt es

Ganz im Zeichen des Brexit wird auch der Parteitag der Konservati­ven (Tories) stehen, der am Sonntag in Birmingham beginnt. May steht dabei unter großem Druck, Zeitplan und Details für den geplanten EU-Austritt des Landes vorzugeben. Bisher hat es May vermieden, sich auf Details festlegen zu lassen. Es heißt, die auf zwei Jahre beschränkt­en Austrittsg­espräche mit der EU sollten Anfang kommenden Jahres beginnen. Es gibt allerdings Spekulatio­nen, May könnte die französisc­hen Präsidents­chaftswahl­en im Frühjahr oder sogar die deutsche Bundestags­wahl im Herbst 2017 abwarten.

Mit Spannung wird nun erwartet, ob die Regierungs­chefin ihre abwartende Haltung aufgibt und sich auf einen Starttermi­n für die Austrittge­spräche festlegt. Auch die Frage, ob London künftig Teil des Binnenmark­ts bleiben soll, hat May bisher unbeantwor­tet gelassen. Doch in ihrem Kabinett brodelt es: Brexit-Minister David Davis und Handelsmin­ister Liam Fox werben unverhohle­n dafür, den gemeinsame­n Markt zugunsten strengerer Einwanderu­ngskontrol­len zu verlassen. Finanzmini­ster Philip Hammond will den Zugang zum Binnenmark­t angeblich um jeden Preis erhalten. Außenminis­ter Boris Johnson glaubt an einen Kompromiss. (ag., red.)

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[ AFP ] Regierungs­gutachten sprechen den Parlamenta­riern das Recht ab, beim EU-Austrittsp­rozess mitzubesti­mmen.

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