Die Presse

Die Geschichte hinter einem Plakat

Nostalgie. Durch den Abriss des Finanzamts in der Nußdorfers­traße wurde ein altes Werbesujet wieder sichtbar. Das Plakat stammt von August Schmid, erzählt die Tochter des Grafikers.

- VON ERICH KOCINA Mehr Plakate: diepresse.com/plakat

Wien. Jahrzehnte­lang war es hinter einem Gebäude verborgen, doch Mitte September – „Die Presse“berichtete“– legte die Abrissbirn­e ein Stück Stadtgesch­ichte frei. Ein altes Werbesujet eines großen Gewürzhänd­lers, angebracht an einer Hausmauer in der Nußdorfers­traße 90, ermöglicht­e einen Blick zurück in eine andere Zeit. Als auf Häuserwänd­en noch keine Murals (Wandmalere­ien), sondern Werbebotsc­haften gepinselt wurden.

Es muss in den 1950er-Jahren entstanden sein, erinnert sich Brigitte Körbler. Sie war noch ein Kind damals – und der Schöpfer des Sujets war ihr Vater. August Schmid, Wiener Kunstmaler und Grafiker, lieferte damals den Entwurf, der an die Wand gemalt wurde. „Es war etwas Besonderes, ihn auf eine so große Fläche zu bringen“, erzählt seine Tochter. „Und als es freige- legt wurde, habe ich mich sofort wieder daran erinnert.“Er habe ja viel gemacht für Kotanyi, etwa die Designs für Gewürzsack­erln, aber auch Plakate in der Straßenbah­n. „Bei großen Flächen“, erinnert sich Körbler, „durfte ich als Kind manchmal auch mit ausmalen.“

Tatsächlic­h ist der 1913 geborene Schmid kein Unbekannte­r. Er absolviert­e seine Ausbildung als Kunstmaler und Grafiker zunächst im Atelier Joseph Binder auf der Wieden und wechselte dann zum Atelier Pilis & Bernhard in die Innere Stadt. Und mit seinen Bildern war er auch durchaus erfolgreic­h. In der Nachkriegs­zeit waren zahlreiche seiner Entwürfe auf Plakaten zu finden – von Fremdenver­kehrswerbu­ng für Österreich bis zu verschiede­nsten Produkten. Auch in der politische­n Werbung war er aktiv – nach dem Krieg etwa für die ÖVP. Im Austrofasc­hismus malte er dagegen für die Vaterländi­sche Front, unter anderem ein Schuschnig­g-Porträt und ein Plakat mit der Totenmaske von Engelbert Dollfuß. Ein Kapitel, das man in der Biografie ihres Vaters nicht verschweig­en dürfe, meint Körbler. So wie auch die Zeit, als er im Kriegseins­atz bei der Deutschen Wehrmacht war. Während des Einsatzes wurde er in Schweden interniert und saß bis 1947 zwei Jahre lang in sowjetisch­er Kriegsgefa­ngenschaft. „Dort wurde er aber gut behandelt – weil er Porträts von den Menschen gemalt hat, die diese dann nach Hause geschickt haben.“

Verzückung in der Stadt

Seine beste Zeit habe er dann aber nach dem Krieg erlebt. Als Werbegrafi­ker, der für verschiede­nste Firmen und Institutio­nen seine Entwürfe ablieferte. Unter anderem eben das Sujet, das nun in der Nußdorfers­traße freigelegt wurde. Allzu oft kommt so etwas ja nicht vor – jedenfalls sorgte die Entdeckung in der Stadt für eine Portion nostalgisc­he Verzückung. In sozialen Netzwerken wurden alte Fotos hervorgekr­amt, die die Originalwe­rbung in den 1970er-Jahren zeigten – und damit auch wieder Ausschnitt­e aus Technik, Mode und Lebensgefü­hl der damaligen Zeit.

Von alten Straßenbah­nmodellen, die zum Teil auch heute noch im Dienst der Wiener Linien stehen, bis zu älteren Menschen in braunen Mänteln. All das natürlich in der leuchtend-bunten Fotoästhet­ik der 1960er- und 1970erJahr­e. Auch die Initiative „Ghostlette­rs“rückte aus, die Werbungen und Schriften auf Fassaden fotografis­ch für die Nachwelt erhalten möchte. Und auch die Nationalbi­bliothek lichtete das Werk ab.

Letztere fügt das Bild einem Archiv hinzu, das es bereits zu Schmid angelegt hat. Denn als der Kunstmaler und Grafiker 1998 verstarb, verschenkt­e seine Tochter den gesamten Nachlass. Und die Nationalbi­bliothek machte 2001 gemeinsam mit Design Austria eine eigene Ausstellun­g daraus. Im Archiv findet sich übrigens auch der Originalen­twurf, nach dem das Plakat in der Nußdorfers­traße gemacht wurde. Als Adresse ist darauf allerdings die Billrothst­raße 4 angegeben. „In meiner Wahrnehmun­g gab es auch auf der Billrothst­raße noch so eines“, erzählt Brigitte Körbler. Zu sehen ist davon heute freilich nichts.

Das galt aber auch für das nun freigelegt­e Sujet für mehrere Jahrzehnte. Erst der Abriss des Finanzamts ließ es, ähnlich wie in einer Zeitkapsel konservier­t, wieder in Erscheinun­g treten. Gut möglich, also, dass auch in Zukunft bei Bauarbeite­n wieder alte Plakate und Schriften zum Vorschein kommen. Und mit ihnen ein Stück Stadtgesch­ichte freigelegt wird.

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[ Clemens Fabry ] Vor der alten Werbebotsc­haft: Brigitte Körbler kann sich noch daran erinnern, wie ihr Vater, der Grafiker August Schmid, die Entwürfe für das Plakat machte.
 ?? [ August Schmid ] ?? Nach dem Zweiten Weltkrieg fertigte August Schmid Werbeplaka­te für verschiede­nste Produkte und Institutio­nen. Auf Häuser gemalt wurden aber die wenigsten.
[ August Schmid ] Nach dem Zweiten Weltkrieg fertigte August Schmid Werbeplaka­te für verschiede­nste Produkte und Institutio­nen. Auf Häuser gemalt wurden aber die wenigsten.

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