Die Presse

Gerücht um das Griensteid­l

Kaffeehaus. Das Traditions­caf´e am Michaelerp­latz soll einer Handelsket­te weichen, hieß es. Allein, der Hauseigent­ümer weiß davon gar nichts.

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Wien. Im Zweifel lässt sich mit Traditione­n brechen. Wenn viel Geld im Spiel ist, fällt das möglicherw­eise umso leichter. Um das Cafe´ Griensteid­l am Michaelerp­latz ist nun das Gerücht um genau so eine Situation in Umlauf gekommen – das Traditions­kaffeehaus könnte verschwind­en, hieß es im „Standard“. Weil der Hauseigent­ümer sich höhere Mieterlöse erwarte. Und eine internatio­nale Einzelhand­elskette an dieser Stelle eine höhere Marge abwerfen würde. Wie konkret die Pläne sind, bleibt allerdings im Dunkeln.

Bei den Kaffeesied­ern sorgte die Nachricht jedenfalls für Aufregung. Aus wirtschaft­licher Sicht kann man sich das jedenfalls vorstellen: „Die Zeiten, in denen ein Cafe´ eine Goldgrube ist, sind vorbei“, sagt Wolfgang Binder, Interessen­vertreter der Kaffeesied­er in der Wirtschaft­skammer. Gründe dafür gebe es viele. Personalko­sten, Mietsteige­rungen und in guten Lagen zuletzt auch höhere Gebühren für Schanigärt­en. „Handelsket­ten, die Flagshipst­ores machen wollen, haben sicher mehr Geld zur Verfügung als Kaffeehaus­betreiber.“Auch jene Cafes´ in der Innenstadt, die als Sehenswürd­igkeit in Reiseführe­rn stehen.

Die Sache mit der Tradition

Wobei das mit dem Griensteid­l und der Tradition ja auch wieder so eine Sache ist. Das Cafe´ mit der Adresse Michaelerp­latz 2 gibt es schließlic­h noch nicht einmal 30 Jahre. Das legendäre Literatenc­afe,´ in dem Karl Kraus, Peter Altenberg oder Felix Salten ihre Tage verbracht haben, hat mit dem heutigen Lokal nur den Namen gemein. 1847 vom vormaligen Apotheker Heinrich Griensteid­l eröffnet, wurde es schnell zur Legende – und das nicht nur bei Künstlern. Auch für die Arbeiterbe­wegung um Victor Adler war das Cafe´ ein wichtiger Treffpunkt.

Doch 1897 wurde das Gebäude abgerissen, die Gäste wanderten unter anderem ins Cafe´ Central ab. Und an der gleichen Stelle entstand das Palais Herberstei­n. Erst 1990 feierte hier der Name Cafe´ Griensteid­l seine Auferstehu­ng. 2002 nahm es Attila Dogudan in sein Do & Co-Imperium auf. Doch ob altes Literatenc­afe´ oder gar nicht so alte Neuauflage, in der Kaffeehaus­szene sorgt die Meldung über eine mögliche Schließung für Aufregung. „Es ginge sehr viel Kultur verloren, von der auch Wien profitiert“, glaubt Wolfgang Binder.

Doch so sehr man es sich auch vorstellen kann – beim Hauseigen- tümer selbst weiß man von derlei Vorgängen nichts. „Do & Co hat einen unbefriste­ten Bestandsve­rtrag mit uns“, sagt Frank Aigner, Geschäftsf­ührer der Schweighof­erGruppe, zur „Presse“. „Wir könnten ihn gar nicht kündigen, selbst wenn wir wollten.“Und vom Wollen wisse man sowieso nichts – bei der Holz- und Immobilien­firma gebe es keinerlei Pläne oder Gespräche zu diesem Thema. „Und ich weiß auch nicht, wer diese Gerüchte lanciert hat.“

Auch bei Do & Co zeigt man sich auf „Presse“-Anfrage verwundert. Man habe selbst nur aus den Medien davon erfahren – vielleicht wisse ja Attila Dogudan mehr. Doch der war zunächst nicht erreichbar. Im Zweifel könnte die ganze Sache mit dem Brechen einer Tradition also auch nur ein Gerücht gewesen sein. (eko)

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[ Harald Jahn / picturedes­k.com ] Cafe´ bleibt Cafe´ – doch um das Griensteid­l ranken sich Gerüchte.

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